Geld oder Leben? Wie der BGH Ärzte zum Revisor der Krankenkassen macht

Der wirtschaftliche Gesprächskreis am 28.02.2017 thematisierte die Untreuestrafbarkeit im Gesundheitswesen, deren aktuelle Bedeutung Prof. Dr. Gunnar Duttge umfassend beurteilte.

Prof. Dr. Gunnar Duttge ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Georg-August-Universität Göttingen (Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht). Aufgrund seiner zahlreichen Publikationen und infolge seiner medizinrechtlichen Expertise war er prädestiniert dafür, im Rahmen seines Vortrags „Untreue im Gesundheitswesen – der aktuelle Stand“ die bereits viel diskutierte Entscheidung des 4. Strafsenats vom 16.08.2016 zur Untreuetauglichkeit des Vertragsarztes einzuordnen.

In diesem wegweisenden Beschluss bestätigte der BGH die Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes gegenüber der Krankenkasse. Nach einer kurzen Darlegung des Sachverhalts betonte der Gastredner die Bedeutung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots und erläuterte drei fundamentale Schwierigkeiten, die der BGH in seiner Entscheidung zu bewältigen hatte. Zum einen erschwere die erhebliche Unbestimmtheit des Untreuetatbestandes eine strafrechtliche Beurteilung außerhalb etablierter Fallgruppen. Zum anderen sei das Strafrecht in großem Maße von Vorwertungen des Sozial- und Vertragsarztrechts abhängig. Schließlich habe der BGH sich auch mit methodischen und insbesondere Auslegungsproblemen zu befassen, um strafwürdiges Verhalten unter geltende Tatbestände zu subsumieren und Strafbarkeitslücken im Gesundheitswesen zu schließen. Kritisch beurteilte Duttge die These des BGH, nach der die Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots als eine weitere von § 266 I StGB geforderte Hauptpflicht betrachtet werden könne. Er hielt es für erforderlich, den Untreuetatbestand nicht nur durch Fallgruppen, sondern ebenso stärker durch allgemeine normative Vorgaben zu konkretisieren.

Abschließend zeigte er zahlreiche Folgeprobleme auf, die die Gelegenheit zum Meinungsaustausch einleiteten. Entsprechend mündete der Vortrag in einer angeregt und kontrovers geführten Diskussion, in der sich auch Verteidiger der Rechtsprechung des BGH fanden.

Autor*in

Sara Stäritz, wissenschaftliche Mitarbeiterin

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