Professorin Günther, die Bucerius Law School freut sich riesig, Sie als Mitwirkende im MLB-Programm begrüßen zu können. In den vergangenen Monaten haben Sie an der Vorbereitung des Programms für 2021 gearbeitet. Wie würden Sie Ihre Erfahrungen mit dem Programm beschreiben und was reizt Sie an dieser neuen Position?
Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen und Studierenden im Rahmen des MLB-Programms ist eine großartige Erfahrung. Wen ich auch an der Bucerius Law School getroffen habe – alle haben ein äußerst offenes Mindset. Es ist fantastisch, mit einem Team von hochengagierten Leuten zusammenzuarbeiten, die ihre Arbeit mit Leidenschaft betreiben. MLB ist ein beeindruckendes internationales Programm, das zwei Disziplinen miteinander verknüpft, die stark voneinander profitieren können. Ich bin dankbar dafür, dass ich daran teilhaben kann, und freue mich auf die Interaktion mit den Studierenden und mit einer Fakultät, an der motiviert miteinander und voneinander gelernt wird. Ich freue mich auch auf die Möglichkeit, die Studierenden im Verlauf des Programms in ihrem Lernprozess sowie ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung zu begleiten.
Die Studierenden des Bucerius Master of Law and Business werden von Ihrer Erfahrung profitieren – welche Aspekte halten Sie dabei für die wichtigsten?
Die Studierenden werden am meisten von meinen Erfahrungen in der praktischen Anwendung akademischer Instrumentarien lernen, d.h. der Entwicklung von Strategien gemeinsam mit Führungskräften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denn dabei muss man dieses Instrumentarium oft anpassen, damit es für Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungshintergründen passt.
Sie gelten in den Fachgebieten Kleine und Mittelständische Unternehmen, Innovation und Unternehmertum als Expertin. Was reizt sie am meisten an Ihren Fachgebieten?
Ich finde es faszinierend zu sehen, wie es Unternehmerinnen und Unternehmern gelingt, ihre Vision trotz aller Widrigkeiten und Herausforderungen bei der Gründung ihrer Firmen, bei deren Finanzierung und schließlich in der Wachstumsphase umzusetzen. Wenn diese Firmen sich dann organisatorisch etabliert haben, müssen sich die Eigentümerinnen und Eigentümer völlig anderen Aufgaben widmen und irgendwann darüber nachdenken, wie sie den Generationswechsel gestalten wollen, verkaufen oder den Betrieb abwickeln. Es macht Freude, in der Forschung mit Eigentümern von Firmen und Führungskräften von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu tun zu haben. Man erhält auf diese Weise die Chance, Menschen kennenzulernen, die ihre Arbeit mit Leidenschaft betreiben; die Verantwortung übernehmen für das, was sie tun; die mutig und engagiert sind; und die oft wirklich Beeindruckendes zu berichten haben über ihre Erfolge und Misserfolge.
Sie haben auch im Ausland gearbeitet und geforscht: in Spanien, Mexiko und den USA. Als wie anders haben Sie die Wissenschaftskultur dort empfunden?
Es ist mir immer ein besonderes Vergnügen, wenn ich auf Menschen treffe und mich von Ihnen inspirieren lassen kann, die ähnliche Forschungsinteressen haben wie ich selbst. Viele Aspekte der Wissenschaftskultur sind international vergleichbar. Was mir aber in anderen Ländern besonders gut gefallen hat, ist, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen dort weniger scharf gezogen werden.
Worin besteht Ihrer Auffassung nach die größte Herausforderung für Betriebswirt*innen, wenn sie mit Jurist*innen zusammenarbeiten sollen? Haben Sie in diesem Punkt persönliche Erfahrungen machen können?
Ich habe eine Zeitlang an einer juristischen Fakultät im Ausland geforscht und es hat mich überrascht, dass Jurist*innen und Ökonom*innen sehr viel mehr gemein haben, als ich erwartet hatte. Ganz allgemein teilen wir z.B. das Interesse an Fragen der Fairness und der Sicherung eines fairen Wettbewerbs. Dinge in ihrer Komplexität zu reduzieren, analytisches Denken sowie die Entwicklung präziser und schlüssiger Argumentationsweisen sind Kernelemente beider Disziplinen. Bei meiner Tätigkeit als Beraterin in einer Beratung mit dem Schwerpunktbereich Wettbewerbsrecht konnte ich feststellen, dass Schwierigkeiten oft dann auftraten, wenn Ökonomen*innen ihre Argumentation nicht auf sehr wenige Kennzahlen reduzierten – was eine eindeutige Beurteilung des jeweiligen Sachverhaltes ermöglichen würde – sondern komplexe Berechnungen detailliert präsentierten.
Das Interview führte Inga Diercks-Ferm
Fotos: Julia Berlin, Ronald Frommann