In diesem Jahr stand die strafbewehrte Schweigepflicht im Fokus, die zahlreiche Heilberufe des Gesundheitswesens wahren müssen. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, die Beachtung der Schweigepflicht sowohl in der Arztpraxis als auch im Krankenhaus für aktuell besonders problematische Themenfelder kritisch zu beleuchten.
Nach einer Begrüßung und Einleitung durch Professor Dr. Karsten Gaede hielt Professor Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universität Würzburg, den ersten Vortrag. Unter dem Titel „Aktuelle Probleme der Schweigepflicht in der Arztpraxis – Cloudlösungen für den Arzt?“ widmete er sich am Beispiel der modernen Datenverwaltung in der Arztpraxis den rechtlichen Herausforderungen, die der fortschreitenden Digitalisierung in der Medizin geschuldet sind. Nach einführenden Worten zur Cloud als Ausprägung ubiquitären Computings zeigte er auf, dass die Verlagerung von Patientendaten in eine Cloud grundsätzlich als „offenbaren“ im Sinne des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) anzusehen und die Nutzung einer Cloud zur Datenverwaltung in der Arztpraxis daher bedenklich ist.
Sodann ging er der Frage nach, welche Anforderungen an eine zulässige Cloud-Nutzung in der Arztpraxis zu stellen sind. Hier entwickelte er Lösungsansätze, bei denen insbesondere eine geographisch strukturierte Datenhaltung und die Providerhaftung eine zentrale Rolle spielten. Der Vortrag schloss mit einem Blick auf den Regierungsentwurf zur Reform des § 203 StGB. In den neuen Absätzen 3 und 4 wird der Kreis der „zum Wissen Berufenen“ um Mitwirkende der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit erweitert und dem Berufsgeheimnisträger zugleich eine strafbewehrte Sorgfaltspflicht übertragen, die bei der Einbeziehung dritter Personen in die Berufsausübung zu beachten ist. Hilgendorf verdeutlichte jedoch, dass der Entwurf zahlreiche praxisrelevante Fragen offenlässt. Auch an der Vereinbarkeit der geplanten Sorgfaltspflichten mit dem Schuldprinzip und dem Bestimmtheitsgebot äußerte er Zweifel.
Im Anschluss an den Vortrag diskutierten Juristen und Mediziner unter Moderation von Professor Gaede zum einen die Frage, ob nach dem Regierungsentwurf auch Krankenkassen als „sonstige mitwirkende Personen“ anzusehen sind. Zum anderen wurde die Grundsatzfrage aufgeworfen, ob Medizinern die Nutzung von Cloud Computing ganz untersagt werden sollte.
Der zweite Vortrag von RA und Fachanwalt für Strafrecht Dr. Sebastian T. Vogel „Aktuelle Probleme der Schweigepflicht im Krankenhaus – Mehrbettzimmer als rechtsfreie Räume?“ nahm anhand zahlreicher anschaulicher Beispiele die rechtlichen Fallstricke des § 203 StGB in den Fokus, die sich bei der Kommunikation in Mehrbettzimmern offenbaren. Der Schwerpunkt seines Vortrags lag auf der Prüfung der Einwilligung, wobei Vogel die Rechtsansicht vertrat, dass betriebstypische Usancen zu einer stillschweigenden Einwilligung führen können, solange sichergestellt sei, dass die bloße Duldung des Patienten nicht in ein Widerspruchserfordernis umgedeutet wird. Die Anforderungen an die stillschweigende Einwilligung koppelte er zudem an die Bedeutung des Geheimnisses für den Erfolg der Behandlung sowie an die Sensibilität der (Patienten-)Daten. Der Vortrag endete mit Empfehlungen für die Praxis.
Die anschließende Diskussion wurde sehr lebhaft und kritisch geführt. Unter Moderation von Professor Dr. Michael Lindemann, Univ. Bielefeld, hinterfragten die Gäste etwa unter Hinweis auf das Volkszählungsurteil kritisch, ob es überhaupt unsensible (Patienten-)Daten geben könne. Es wurde die Sorge geäußert, dass der Rückgriff auf die Bedeutung für den Erfolg der Behandlung und die Sensibilität der (Patienten-)Daten im Gewand der Einwilligung tatsächlich den Paternalismus der ärztlichen Einschätzung erneut vor die Selbstbestimmung des Patienten stellen könne.