Climate Change Litigation Against Corporations: Legality and Effectiveness

Während ziviler Ungehorsam und Gesetzesbrüche im Namen des Klimaschutzes derzeit viel diskutiert werden, ist ein gegenteiliger Ansatz zuletzt wieder in den Hintergrund gerückt: Klimaschutz mithilfe des Gesetzes durch Zivilprozesse gegen große Unternehmen.

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Am 16. Januar 2023 war Elbert de Jong, Professor für Privatrecht an der Utrecht University und Leiter des Utrecht Centre for Accountability and Liability Law, beim Center for Interdisciplinary Research on Energy, Climate and Sustainability (CECS) zu Gast. In seinem Vortrag beleuchtete er Grundfragen und aktuelle Entwicklungen insbesondere deliktsrechtlicher Zivilprozesse gegen Unternehmen als Instrument im Kampf gegen den Klimawandel.

 

Zivilprozesse als Instrument im Kampf gegen den Klimawandel

Gerade zivilrechtliche Klimaklagen in den Niederlanden, der Heimat von de Jong, erregten in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit. So verklagte die Nichtregierungsorganisation Urgenda erfolgreich den niederländischen Staat darauf, seine Treibhausgasemission stärker zu senken. Das Urteil war das erste seiner Art weltweit. Während das Urgenda-Verfahren eine Zivilklage gegen den Staat war, bei dem es also um Staatshaftung ging, folgte im Prozess gegen Royal Dutch Shell eine ähnlich aufsehenerregende Entscheidung auch gegen ein privates Unternehmen. In der ersten Instanz gab das Gericht den Klägern Recht und verpflichtete Shell, seine Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig und de Jong äußerte Skepsis, ob die Entscheidung Bestand haben wird. Auch in Deutschland kam es neben dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesklimaschutzgesetz schon zu ersten Zivilprozessen gegen Unternehmen; beim Oberlandesgericht Hamm (OLG) ist derzeit ein Verfahren gegen den Energiekonzern RWE anhängig.

De Jong erklärte, dass zum einen die immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels und das Fehlen anderer effektiver Mechanismen für den Klimaschutz, aber insbesondere auch wissenschaftliche Fortschritte zu einem Anstieg in climate change litigation führen würden. So sei die Wissenschaft inzwischen in vielen Fällen weit genug, um mit Sicherheit sagen zu können, welche Handlungen von Unternehmen zu einem Emissionsanstieg führen und so auch die deliktsrechtlich relevante Frage der Kausalität zu beantworten.

Laut de Jong gibt es präventive und kompensatorische Klimaklagen, es wird also entweder auf eine Änderung des Verhaltens und damit Verhinderung weiterer Umweltschäden oder auf Schadensersatz geklagt. Die Klagen richten sich nicht nur gegen Öl- und Energiekonzerne, sondern auch gegen Fluggesellschaften, Autohersteller oder Banken, die in umweltschädliche Projekte investieren.

 

(In-)Effektivität - Berechtigte Kritik oder ein bloßes Alibi?

Gerade bei präventiven Zivilprozessen auf Grund von Beiträgen zum Klimawandel wird, so de Jong, oft die Effektivität solcher Verfahren in Frage gestellt. So sei ein häufiges Gegenargument, dass Klimaklagen insgesamt negative Konsequenzen hätten und daher ein wenig effektives Mittel im Kampf gegen den Klimawandel seien. De Jong nannte Willkür bei der Auswahl der verklagten Unternehmen, erhöhte Emissionen durch Verlagerungseffekte (carbon leakage) hin zu anderen Unternehmen im In- und Ausland sowie negative wirtschaftliche Folgen und daraus resultierende negative Folgen für den Klimawandel als die am häufigsten genannten Kritikpunkte. Doch für de Jong ist der Kritikpunkt der Effektivität ein bloßes Alibi. So sei es unmöglich die genauen Folgen eines Urteils festzustellen und auch mögliche positive Effekte wie eine Vorbildfunktion der Unternehmen würde ignoriert werden. Auch könne das „Warum ausgerechnet ich?“-Argument von jedem gebracht werden, wodurch die rechtliche Feststellung von Verantwortlichkeit durch Klimaklagen komplett unmöglich würde. Zudem könne nur das Gesetz, nicht aber mögliche Folgen und die Effektivität eines Urteils, dafür ausschlaggebend sein, ob Rechtsschutz gegen Umweltverschmutzung gewährt wird. De Jong schloss seinen Vortrag daher mit dem Fazit, dass die Effektivität von Klimaklagen zum einen nicht zu bestimmen sei und zum anderen auch keine Rolle spielen dürfe.

Die anschließende Frage- und Diskussionsrunde zeigte das große Interesse der Gäste am Thema. So wurde der Umgang der Gerichte mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Unsicherheiten diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Teilnahme am europäischen Emissionshandel die zivilrechtliche Haftung ausschließe.

Der Erfolg und die Bedeutung von Zivilprozessen gegen Unternehmen für den Klimaschutz ist somit noch ungewiss, doch das Interesse der Bucerius Law School und des CECS am Thema ist schon jetzt sicher.

Text

Moe Sugama, Studierende aus dem Jahrgang 2021

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