Wo hast du dein Einführungspraktikum verbracht?
Mein Einführungspraktikum habe ich bei einer Richterin absolviert. Diese arbeitet am Amtsgericht Hamburg in den Bereichen Erwachsenenstrafrecht und Jugendstrafrecht. Zusätzlich ist sie auch bei einer Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg als beisitzende Richterin tätig. So konnte ich einen Einblick in die Arbeit am Amts- und am Landgericht gewinnen.
Wie ist die Atmosphäre am Gericht?
Gerade am Amtsgericht ist die Atmosphäre meist sehr entspannt. Es wird gescherzt und gelacht, manchmal auch zusammen mit den Angeklagten. Unangenehm wurde es eigentlich nur, wenn es um Verstöße gegen die Corona-Auflagen ging, weil die Beschuldigten häufig uneinsichtig und gereizt waren.
In welchem Rechtsgebiet hast du vorwiegend gearbeitet?
Ausschließlich im Strafrecht.
Was hat dir an der Arbeit im Staatsdienst besonders gefallen?
Mir hat der Umgang mit verschiedensten Menschen gut gefallen. Beeindruckend fand ich, wie sehr die Richterin, die mich im Praktikum betreut hat, auf jede:n einzelne:n eingegangen ist, sich mit Lebensgeschichten auseinandergesetzt hat und versucht hat, für jede:n die bestmögliche Lösung zu finden.
Warum wollen immer weniger junge Jurist*innen in den Staatsdienst?
Ich bin mir nicht sicher, ob das so stimmt. Natürlich hat die Justiz einen Nachwuchsmangel, das liegt aber auch daran, dass die Babyboomer-Generation langsam pensioniert wird und es dadurch wesentlich mehr freie Stellen gibt als in den letzten Jahrzehnten. Richtig ist wohl, dass immer weniger junge Jurist:innen mit Prädikatsexamen in den Staatsdienst wollen, weshalb eben nicht nur noch Leute mit Doppelprädikat eingestellt werden können.
Das wird sicherlich unter anderem an den Gehältern liegen: In einer Großkanzlei kann man schnell das Zwei- bis Dreifache dessen verdienen, was man als Richter:in oder Staatsanwält:in verdient. Trotzdem ist der Staatsdienst weiterhin ziemlich beliebt bei Berufsanfänger:innen.
Reicht ein Jahr Studium aus, um die Vorgänge in der Kanzlei zu verstehen?
Vor meinem Praktikum hatte ich zwar schon die Vorlesungen zum materiellen Strafrecht, also zu den Voraussetzungen der Strafbarkeit, besucht. Das prozessuale Strafrecht ist aber erst Stoff des zweiten Studienjahres. Deshalb fiel es mir anfangs schwer, den Ablauf der Gerichtsverfahren zu verstehen und nachzuvollziehen. Hier galt dann: Nachfragen hilft!
Was war der größte Unterschied zum Unialltag?
Meinen Uni-Alltag kann ich flexibel gestalten. Ich kann selber entscheiden, ob ich zu Vorlesungen gehe und wann ich mich an den Schreibtisch setze. Das funktioniert am Gericht (und in den meisten anderen Jobs) natürlich nicht.
Eine angenehme Abwechslung: Weil ich bei der Eingangskontrolle am Gericht jeden Morgen Handy und Laptop abgeben musste, war meine Bildschirmzeit im Vergleich zum Unialltag sehr gering.
Inwiefern hat das Praktikum dabei geholfen?
Interesse am Strafrecht war einer der Hauptgründe für mein Jurastudium. Mit meiner Schulklasse haben wir in der Oberstufe an einem Projekt teilgenommen, in dessen Rahmen wir bei Gerichtsverhandlungen zusehen durften und anschließend Gespräche mit Richter:innen hatten. Ich fand das unglaublich spannend und habe mich dementsprechend besonders auf die strafrechtlichen Seiten des Studiums gefreut.
Jetzt muss ich ehrlich sein: In den ersten Trimestern hat mich Strafrecht dann etwas weniger begeistert. Die Fälle waren interessant, aber die vielen Streits und Theorien waren mir oft zu abstrakt. Ich habe mich trotzdem dazu entschieden, mein Einführungspraktikum am Amts- und Landgericht zu absolvieren.
Von Körperverletzungsdelikten über Diebstahl bis hin zu einem Multimillionär, der nach einer betrunkenen E-Scooter-Fahrt Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte und statt 1.500 € dann 80.100 € zahlen musste – Fünf Wochen lang war ich bei Verhandlungen dabei und habe in dieser Zeit mein Interesse am „praktischen“ Strafrecht wiederentdeckt. Trotzdem möchte ich später eher nicht in diesem Bereich arbeiten, ganz ausschließen kann ich es aber nicht.