Der Drache im Porzellanladen – Wie der Aufstieg Chinas das Land und die Welt herausfordert

Ehemaliger Deutscher Botschafter in China zu Besuch beim Bucerius Greater China Talk

China – das Reich der Mitte fasziniert seit jeher mit seiner Kultur, Politik und Wirtschaft, auch in Deutschland. Doch nur wenige Deutsche kennen die Volksrepublik so gut wie Dr. Volker Stanzel, studierter Sinologe und deutscher Botschafter a.d. in China. Auf Einladung der Alumni-Gruppe „Greater China“ und des Studium generale sprach Stanzel am 16. Mai 2018 vor dem bis zum letzten Platz gefüllten Heinz-Nixdorf-Hörsaal der Bucerius Law School.

Der China-Experte zeichnete zunächst die Motti nach, mit denen die Kommunistische Partei Chinas die politische Entwicklung des Landes in den vergangene 40 Jahren geprägt hat: von der Reform- und Öffnungspolitik, über den chinesischen Traum bis zur aktuellen „One Belt, One Road“-Initiative, die auch „neuen Seidenstraße“ genannt wird. Auf Chinas Weg zur Mittelstandsgesellschaft soll das Projekt die Restrukturierung von Chinas Industrie fördern und neue Absatzmöglichkeiten für die chinesische Überproduktion bieten. Darüber hinaus verfolgt die Idee der neuen Seidenstraße aber auch geopolitische Ziele und soll nicht zuletzt die internationale Wahrnehmung Chinas als weltoffene Großmacht verbessern.

Innenpolitisch hat die neue Seidenstraße hingegen laut Stanzel nur eine schwache Sichtbarkeit und wenige konkrete Auswirkungen auf die Bevölkerung. Statt international-kosmopolitischem Flair ist innenpolitisch für Staats- und Parteichef Xi Jinping das Comeback des Marxismus der wichtigste Punkt auf der politischen Agenda. Durch Kontrollmechanismen wie die Antikorruptionskampagne, Internetzensur oder das neue "Soziale Bonitätssystems", ein digitales Punktekonto für gutes Verhalten der Bürger, ist Xi Jinping in Stanzels Augen bereits jetzt mächtiger als Mao Zedong.

Im Anschluss an den Vortag folgte eine Podiumsdiskussion, die von Stephan Kuntner, Leiter der Regionalgruppe Greater China des Alumni Vereins, moderiert wurde. Unter anderem erläuterte Stanzel, warum der chinesischen Führung die Stärkung des Marxismus so wichtig ist. Das starke Wirtschaftswachstum und der bereits von Kindheit an in Schulen und Universitäten vermittelte Patriotismus reichen in Xi Jinpings Augen nicht aus, um sich die Treue der Bevölkerung zu sichern. Stattdessen müssen die Bürgerinnen und Bürger von der Kommunistischen Partei als solcher überzeugt sein.

Laut dem Sinologen ist China eine Weltmacht, mit der der Westen noch nicht so recht umzugehen weiß, die sich aber auch selbst mit ihrer neugewonnenen Stärke noch nicht richtig zurechtgefunden hat, sondern stattdessen verschiedene Strategien austestet, um ihr weltpolitisches Gewicht geschickt einzusetzen.

Im Anschluss an die Veranstaltung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung mit dem ehemaligen Botschafter persönlich bei einem Glas Wein ins Gespräch kommen, um sich über die aktuellen Entwicklungen in Chinas Wirtschaft, Politik und Kulturleben auszutauschen.

Autor*in

Text: Charlotte von Fallois; Fotos: Fabian Hoell

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