Am 23. Juni 2015 lud Dr. Nadjma Yassari, Leiterin der Forschungsgruppe "Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder", zusammen mit Professor Dr. Karsten Thorn, Inhaber des Lehrstuhls für internationales Privatrecht, zur zweiten Vorlesung der Reihe "Islamisches Recht" in das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ein. In vier Blöcken werden verschiedene Aspekte des islamischen Rechts erklärt, wobei das vorherrschende Credo lautet: "Es gibt nicht ein islamische Recht." Dies erklärte Yassari damit, dass als Rechtsquelle für das islamische Recht lediglich die Scharia diente, d.h. der Koran als direkte Offenbarung und überlieferte Traditionen als indirekte Offenbarung des Propheten Mohammed. Erst durch die Interpretation von Juristen wird dies tatsächlich zu Recht, sodass sich sechs große Rechtsschulen herausgebildet haben.
Nach dem traditionellen islamischen Recht ist das Familienbild hauptsächlich von der Komplementarität von Mann und Frau geprägt, sodass die Frau den Weisungen des Mannes Folge zu leisten hat und der Mann im Gegenzug für das Wohl der Familie sorgt. Yassari verglich diese Verpflichtungen und den damit einhergehenden Stand der Gütertrennung mit einer Gesellschaft – kommt ein Gatte einer Verpflichtung nicht nach, so entfällt auch die Verpflichtung für den anderen. Inzwischen wurden die islamischen Rechtslehren in verschiedenen Ländern kodifiziert, mit Reformen, die die traditionelle islamische Rechtslehre an gesellschaftspolitische Veränderungen anpassen. So entstünden zwar teilweise Systemwidersprüche innerhalb der Rechtsgebiete, es wird aber auch ermöglicht, fast jegliche erwünschte Regelung als islamisches Recht zu deklarieren –"man muss nur lange genug suchen, dann findet man bestimmt einen Anknüpfungspunkt in den Rechtsquellen".
Mit sehr interessanten und anschaulichen Beispielen über das unterschiedliche Familienverständnis in islamischen Ländern beendete Yassari ihren spannenden Vortrag, der anschließend bei Snacks und Getränken im Institut ausklang.