Noch bis zum 15. Mai 2022 können sich Studieninteressierte an der Bucerius Law School für ein Studium der Rechtswissenschaft bewerben. Um einen besseren Einblick in die Institution und das Leben auf dem Campus zu bekommen, haben wir für Euch in den Archiven gekramt und in der Re.vision-Ausgabe von 2009 einen Briefwechsel zwischen einer damals Studienanfängerin und Absolventin gefunden, in dem über das Studium an der Law School berichtet wird. Vielleicht finden sich in dem Briefwechsel einige Eurer Fragen und Sorgen wieder und können sogar beantwortet werden.
Claire und Annelie
Der Briefwechsel ereignet sich zwischen Annelie Siemsen, damals 21 Jahre alt und frisch aus Eckernförde nach Hamburg gezogen, um an der Law School zu studieren. Sie beschreibt in ihrem Brief ihre Erwartungen und Sorgen. Antwort erhält sie von Claire Proebstle, zum damaligen Zeitpunkt 24 Jahre alt und gerade mit dem Ersten Staatsexamen fertig. In ihrem Brief an Annelie erzählt sie, wie sie die vier Jahre Jurastudium an der Law School erlebt hat.
Brief einer Studienanfängerin
Liebe Claire,
im September habe ich, zusammen mit 112 Kommilitonen, das Jurastudium an der Law School begonnen. Ich fühle mich wohl, ich habe das Gefühl, es passt zusammen. Und doch frage ich mich, woran ich merke, ob Jura das richtige Fach für mich ist. Was muss ich sonst noch alles wissen, was nicht in den Gesetzen zu finden sein wird? Reicht mein Faible für die deutsche Sprache, für das Interpretieren und Analysieren, wie ich es im Deutsch-Leistungs-kurs gerne gemacht habe?
Du merkst, meine Erwartungen sind gemischt: Da ist Vorfreude auf die neuen Herausforderungen, auf das für mich immer noch relativ unbekannte Terrain der Rechtswissenschaften. Aber ich wünsche mir auch sehr, dass ich meine Interessen neben dem Studium an der BLS weiterverfolgen kann. Ich möchte auch noch ein Leben zum Studium haben und nicht nur ein Studium zum Leben...
Einer meiner Lebenswünsche ist es, noch viele Gesellschaften intensiv kennenzulernen – nicht nur als Touristin, sondern um wirklich vertraut mit dem Fremden zu werden. Nach meinem Abitur bin ich für ein Jahr nach China gegangen, in die noch sehr ländliche, dafür aber umso hinreißendere Provinz Yunnan im Südwesten dieses riesigen Landes. Ich habe neun Monate in einem Dorf in den Bergen gelebt und Englisch unterrichtet. Wir Lehrer haben direkt neben den Klassenräumen gewohnt.
Durch diesen engen Kontakt mit den Menschen ist das abstrakte Bild, das ich von China hatte, für mich lebendig geworden. Im alltäglichen Umgang auch mit kleinen Dingen konnte ich ihre Werte und Maßstäbe erkennen. Ich würde gerne an der Law School mein Chinesisch noch verbessern und hoffe, dass das Auslandstrimester Chancen bietet, solche kulturellen Kompetenzen weiter zu trainieren. Oder werden wir zu sehr mit Lernen beschäftigt sein? Wie hast Du den Auslandsaufenthalt erlebt?
Manchmal habe ich Angst, dass ich mit dem Jurastudium vielleicht einen Teil meiner Persönlichkeit unterdrücke. Ich habe immer gerne geschrieben und gemalt, etwas Freies, Kreatives gemacht. Andererseits habe ich Jura gerade gewählt, weil es so viele Möglichkeiten offenhält. Ich denke, ich stehe nicht allein, wenn ich mich noch nicht entschieden habe, ob ich Anwältin, Richterin oder doch lieber Managerin werden möchte. Oder hast Du Deine Wunsch-Karriere schon am Anfang vor Augen gehabt? Wo liegen die wichtigen Weggabelungen in unserer Ausbildung?
Als ich im Juli meine Zusage bekommen habe, war mir klar, dass das kein Spaziergang wird wie durch die Schule. Aber ich bin damit ja nicht allein. Schon beim Auswahlverfahren habe ich tolle Leute kennengelernt. Ich bin gespannt, was entstehen kann, wenn 113 ehrgeizige, hoch motivierte und einigermaßen clevere Menschen gemeinsam diesen sicher auch mal steinigen Weg begehen. Mir fallen dazu die Worte eines großen Juristen ein: „Kein festeres Band der Freundschaft als gemeinsame Pläne und gleiche Wünsche.“ Das hat Cicero gesagt. Was meinst Du?