Laura Jacobs: Die Strafbarkeit von Upskirting

Welches Verhalten „Upskirting“ beschreibt, was bisher galt und was sich mit der neuen gesetzlichen Regelung ändert – Fofftein – Folge #10

Forschung & Fakultät |

Was heißt „Upskirting“?

Der Begriff „Upskirting“ meint zunächst einmal das heimliche Fotografieren intimer Bereiche des Körpers. „Upskirting“ passiert dabei jedoch nicht zufällig, sondern ist Ausdruck von sexualisierter Gewalt. Das Opfer wird ohne bzw. gegen dessen Willen zum Objekt sexuellen Begehrens gemacht und zum Objekt der Lust des Täters herabgewürdigt.

Mit der Istanbul-Konvention gesprochen ist „Upskirting“ eine Form von ungewolltem sexuell bestimmtem nonverbalem Verhalten, mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtliches Abkommen, das die Bundesrepublik Deutschland bereits 2017 ratifizierte.

 

„Upskirting“ als geschlechtsspezifische Gewalt

„Upskirting“ tritt in Form von geschlechtsspezifischer Gewalt zum Beispiel gegen Frauen auf, wenn Frauen aufgrund ihres Frauseins betroffen sind oder unverhältnismäßig oft Opfer dieser Tat werden. Ein großes Problem bei „Upskirting“ ist, dass es noch immer eher in den „peinlichen Bereich“ fällt und mit viel Scham für die Opfer verbunden ist. Es mangelt an empirischen Studien, um die Zahl der Betroffenen genau benennen zu können.

„Upskirting“ ist in vielen europäischen Ländern verboten, zum Beispiel in Belgien, England, Frankreich und der Schweiz. In Deutschland trat am 01.01.2021 ein neuer Paragraf in Kraft. Der Bundesrat hatte im September 2020 eine Gesetzesänderung gebilligt, wonach „Upskirting“ im neuen Paragraf 184k Strafgesetzbuch abgebildet wird.

War „Upskirting“ in der Vergangenheit strafbar?

Davor war die Hürde für eine Strafbarkeit sehr groß. Auch wenn das Strafgesetzbuch auf den ersten Blick einige zutreffend erscheinende Normen bereithält, steckt der Teufel im Detail. § 201a Abs. 1 StGB, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ist nur selten einschlägig, da der räumliche Schutzbereich gerade dann nicht betroffen ist, wenn die Bildaufnahmen im öffentlichen Raum erfolgen.

Eine Beleidigung nach § 185 StGB wendet die Rechtsprechung im Regelfall ebenfalls nicht an, da es bei „Upskirting“ an einer die Ehre herabsetzenden Kundgabe fehle. Darüber hinaus kommt eine sexuelle Belästigung gemäß § 184i StGB nicht infrage, da es hierfür einer körperlichen Berührung bedarf.

„Upskirting“ konnte davor allenfalls als Ordnungswidrigkeit in Form einer Belästigung der Allgemeinheit gem. § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz geahndet werden. Das unbefugte Fotografieren intimer Bereiche des Körpers greift aber viel mehr in die sexuelle Selbstbestimmung des Allgemeine Persönlichkeitsrechts der betroffenen Personen ein. Die Allgemeinheit ist davon nur sekundär betroffen.

Die entsprechende Norm aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht erfasst das Tatunrecht also nur unzureichend. Hier zeigt sich, dass auch das Recht Teil eines gesellschaftlichen Wandels ist, wonach Sex ebenso wie sexualisierte Gewalt nicht mehr allein anhand moralischer Kriterien beurteilt werden, sondern Autonomie und Konsens im Vordergrund stehen.

 

Was sieht der neue Gesetzesentwurf jetzt vor?

Nach dem neuen Paragrafen 184k StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft, wer absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind. Das neue Gesetz ist ein wichtiger Schritt für die Stärkung des Schutzguts der sexuellen Selbstbestimmung.


Videoreihe „Fofftein“

Mit der Videoreihe „Fofftein“ möchten wir juristische Themen von gesellschaftlicher Relevanz für die interessierte, aber juristisch nicht vorgebildete Öffentlichkeit erklären und einordnen. Hierzu werden Mitglieder der Fakultät, Alumnae oder Alumni als Expert*innen eingeladen. In 5-10 Minuten – eben einer kurzen Kaffeepause – führen wir in die Thematik, beteiligte Akteure und die Umstände ein und erklären die Grundsätze des behandelten rechtlichen Themas.

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Trans- und Interpersonen

Dabei müssen aber auch die Rechte von Trans- und Interpersonen mitbedacht werden. Die Formulierung „weibliche Brust“ birgt in einer binär dominierten Geschlechterordnung die Gefahr diskriminierender und entwürdigender Beweisanträge. Des Weiteren wirft die Formulierung der Norm die Frage auf, wann ein körperlicher Bereich gegen Anblick geschützt ist und wie umfassend dieser Schutz sein muss.

 

Gefahr opferbeschuldigender Diskussionen

Diskussionen darüber, wie lang der Rock einer jungen Frau sein darf, damit dieser noch zureichend gegen Anblick schützt, sind zu befürchten. Es besteht die Gefahr, dass opferbeschuldigende und von Sexualitätsmythen geprägte Argumente wie „Wenn sie so einen kurzen Minirock anzieht, dann ist sie selbst schuld!“ ebenso wie stereotype Narrative von „anständiger Bekleidung“ die Rechtspraxis beeinflussen.

Strafwürdiges Unrechtsverhalten des Täters ist und bleibt aber das Hinwegsetzen über den erkennbaren Willen des Opfers. Wichtig ist, dass das Strafrecht in einem demokratischen Rechtsstaat immer „ultima ratio“, also das letzte Mittel, darstellt und nicht alternativlos ist. Mindestens genauso wichtig sind präventive Mittel zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt.

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