Melina Kammerer: Was bedeutet Gemeinnützigkeit?

Was Gemeinnützigkeit im Recht heißt, aktuelle Beispiele und welche direkten und indirekten steuerlichen Vorteile es gibt – Fofftein – Folge #12

Forschung & Fakultät |

Wann ist eine Organisation gemeinnützig?

Im Alltag wird der Begriff der Gemeinnützigkeit für viele unterschiedliche Sachverhalte benutzt. So haben die meisten eine grobe Vorstellung davon, was gemeinnützig ist und was nicht. Wie so oft deckt sich dieses Alltagsverständnis aber nicht unbedingt mit der juristischen Bedeutung.

Was die Gemeinnützigkeit im juristischen Sinne genau bedeutet, wird insbesondere in einem Steuergesetz – der Abgabenordung – geregelt. Danach ist der Gemeinnützigkeitsstatus Körperschaften vorbehalten, also beispielsweise Vereinen oder GmbHs. Die Abgabenordnung zählt aber auch Stiftungen und sonstige Vermögensmassen dazu.

Natürliche Personen und Personengesellschaften, zum Beispiel OHGs, können dagegen nicht gemeinnützig sein. Dies ist notwendig, weil natürliche Personen und andere juristische Personen immer, oder zumindest auch, eigennützig handeln. Weiterhin muss die Organisation selbstlos, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.

 

Was ist damit gemeint?

Zu den gemeinnützigen Zwecken zählen zum Beispiel die Förderung von Kunst und Kultur oder die Förderung von Wissenschaft oder Forschung, wie sie auch an der Bucerius Law School betrieben wird. Mit Mildtätigkeit ist, kurz gesagt, die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen gemeint. Gemeinnützige Zwecke sind neben mildtätigen und kirchlichen Zwecken also streng genommen nur eine Kategorie der steuerbegünstigten Zwecke, wie es in der Abgabenordnung heißt.

In der Rechtspraxis wird „gemeinnützig“ aber oft synonym mit „steuerbegünstigt“ verwendet. Voraussetzung ist dabei immer, dass die Tätigkeit auf die Förderung der Allgemeinheit gerichtet ist, wobei nicht gemeint ist, dass alle Bürger*innen gefördert werden müssen. Stattdessen geht es um eine Förderung im Interesse der Allgemeinheit. Seit einiger Zeit wird nun diskutiert, ob geschlechterspezifische Organisationen, also zum Beispiel reine Männervereine, dieses Kriterium erfüllen.

Eine Förderung der Allgemeinheit liegt jedenfalls dann vor, wenn diese geschlechterselektiven Organisationen zugunsten der Allgemeinheit nach außen hin gemeinnützig tätig werden, wie es etwa beim Frauenpolitischen Deutschen Juristinnenbund der Fall ist.

 

Problematisch: Beschränkung der Mitgliedschaft auf ein Geschlecht

Problematisch wird es dagegen bei rein mitgliedernützigen Organisationen, wenn die wesentlichen Aktivitäten nur einem bestimmten Geschlecht zugänglich sind. So lag der Fall auch bei einem Urteil aus dem Jahr 2017. In diesem Urteil qualifizierte der Bundesfinanzhof eine Freimaurerloge als nicht gemeinnützig, weil sie Frauen von der Mitgliedschaft und von den rituellen Tempelarbeiten komplett ausschloss.

Eine Organisation verstößt nämlich gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, wenn sie Mitglieder verschiedenen Geschlechts ungleich behandelt. Eine solche Ungleichbehandlung kann aber nicht im Interesse der Allgemeinheit sein und steht tendenziell der Gemeinnützigkeit entgegen. Es gibt allerdings eine Ausnahme, wenn die geschlechtsbezogene Beschränkung der Mitgliedschaft gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall, wenn ein sachlich zwingender Grund vorliegt.

Was sind diese sachlich zwingenden Gründe?

Dies können zum Beispiel die Geschlechtertrennung beim Sport oder auch die Beseitigung geschlechtsbezogener Nachteile sein, zum Beispiel Frauenhäuser zum Schutz vor Gewalt. Brauchtum und Tradition allein, wie sie beispielweise von Karnevalsvereinen u.Ä. als Rechtfertigung herangezogen werden, sind allerdings kein sachlich zwingender Grund. Sonst wäre das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot praktisch unwirksam.

 

Warum ist es den betroffenen Organisationen so wichtig, gemeinnützig zu bleiben?

Mit dem Gemeinnützigkeitsstatus sind direkte und indirekte finanzielle Vorteile verbunden. Direkt wird die Gemeinnützigkeit zur Steuervergünstigung für die Organisation selbst, zum Beispiel bei der Körperschafts- oder Umsatzsteuer. Davon ausgenommen sind allerdings wirtschaftliche Aktivitäten.

Nimmt man als Beispiel einen Fußballverein: Betreibt also ein gemeinnütziger Fußballclub eine Vereinsgaststätte, dann ist er mit diesem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steuerpflichtig, damit der Wettbewerb zu gewerblichen Gastronomiebetrieben nicht verzerrt wird.

Im Übrigen behält der Fußballverein aber seine Steuerprivilegien, solange der Mittelpunkt seiner Tätigkeit der Sport-, und nicht der Gastronomiebetrieb ist. Der gemeinnützige Verein ist ja gerade deshalb gemeinnützig, weil er den Sport fördert und nicht, weil er den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält.

 

Warum ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb überhaupt erlaubt?

Die wirtschaftliche Betätigung ist mit der Gemeinnützigkeit grundsätzlich vereinbar, weil gemeinnützige Organisationen ihre Gewinne nicht ausschütten dürfen. Zwar werden gemeinnützige Organisationen oft als „Non-Profit-Organisationen“ bezeichnet, aber „Non Profit“ bedeutet nicht, dass gar keine Gewinne erzielt werden, sondern dass diese Gewinne nicht eigennützig verwendet werden dürfen.

Wenn also nun große Organisationen wie der ADAC oder der DFB für ihren Gemeinnützigkeitsstatus kritisiert werden, dann wird dabei häufig übersehen, dass auch sie mit ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben steuerpflichtig sind. Beide haben in den letzten Jahren umstrukturiert und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ausgegliedert, und zwar auf steuerpflichtige Tochter-Kapitalgesellschaften.

Beim ADAC auf der einen Seite gibt es jetzt zusätzlich eine gemeinnützige Stiftung und der gemeinnützige DFB e.V. fördert im Wesentlichen den Breitensport. Darüber hinaus gibt es in solchen Großvereinen natürlich Probleme, die auch oft zusammen mit der gemeinnützigkeitsrechtlichen Problematik diskutiert werden. Diese betreffen als Themen der Unternehmensführung aber vor allem das Vereinsrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, also im Zivilrecht und nicht im Steuerrecht. Auf die steuerliche Gemeinnützigkeit hat das keinen direkten Einfluss.

 

Die indirekten Vorteile der Gemeinnützigkeit

Über diese direkte steuerliche Förderung hinaus setzt der Gesetzgeber auch Anreize dafür, dass sowohl Bürger*innen als auch Unternehmen an gemeinnützige Organisationen spenden. Insbesondere wird den Steuerpflichtigen ermöglicht, ihre Spenden einkommensmindernd steuerlich geltend zu machen. Auf diese Weise wird durch den Staat auch indirekt zur Vermögensmehrung gemeinnütziger Organisationen beigetragen.

Außerdem gibt es noch weitere, außersteuerliche Vorteile des Gemeinnützigkeitsstatus. Beispielsweise können Strafverfahren gegen eine Zahlung an eine gemeinnützige Organisation eingestellt werden. Der Gemeinnützigkeitsstatus wird in der Öffentlichkeit also als eine Art staatliches Gütesiegel für die Förderungswürdigkeit einer Organisation wahrgenommen.

Verliert eine Organisation ihren Gemeinnützigkeitsstatus, dann verliert sie auch alle ihre steuerlichen Vorteile. Sie muss dann zum Beispiel etwaige Gewinne nachversteuern, darf keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, sodass auch der Spendenabzug entfällt, von dem normalerweise die spendenden Steuerpflichtigen profitieren, oder sie muss gegebenenfalls staatliche Zuwendungen zurückzahlen.


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Mit der Videoreihe „Fofftein“ möchten wir juristische Themen von gesellschaftlicher Relevanz für die interessierte, aber juristisch nicht vorgebildete Öffentlichkeit erklären und einordnen. Hierzu werden Mitglieder der Fakultät, Alumnae oder Alumni als Expert*innen eingeladen. In 5-10 Minuten – eben einer kurzen Kaffeepause – führen wir in die Thematik, beteiligte Akteure und die Umstände ein und erklären die Grundsätze des behandelten rechtlichen Themas.

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Dürfen gemeinnützige Organisationen, wie z.B. die Deutsche Umwelthilfe e.V., sich politisch betätigen?

Die politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen wird zur Zeit viel diskutiert. Die CDU wollte zeitweilig die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe prüfen lassen, nachdem der gemeinnützige Verein erfolgreich vor Gerichten in verschiedenen Städten Dieselfahrverbote erstritten hatte und als „Abmahnverein“ in die Kritik geraten war.

Dafür bietet aber weder die aktuelle Gesetzeslage noch die Rechtsprechung des BFH eine Grundlage. Der Bundesfinanzhof hat zwar im Dezember 2020 dem globalisierungskritischen ATTAC e.V. den Gemeinnützigkeitsstatus abgesprochen. In diesem Urteil hat das Gericht aber nur seine langjährige Rechtsprechung bestätigt.

Danach können sich gemeinnützige Organisationen im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Zwecke weiterhin anlassbezogen politisch betätigen. Allein die isolierte Verfolgung parteipolitischer Zwecke ist nach ständiger Rechtsprechung und auch nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum verboten. Nach der geltenden Rechtslage ist nämlich zwischen politischen und gemeinnützigen Zwecken abzugrenzen.

 

Warum ist das so?

Diese Abgrenzung hat ihren Grund in der Parteienfinanzierung. Um zu verhindern, dass sich Spenden für Steuerpflichtige mit hohem Einkommen günstiger auswirken als für alle anderen Steuerpflichtigen, unterliegen Spenden an politische Parteien strengen Restriktionen. Eine finanzielle Einflussnahme auf politische Parteien soll aus verfassungsrechtlichen Gründen möglichst verhindert oder zumindest offengelegt werden.

Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen unterliegen dagegen weitaus weniger strengen Anforderungen. Auf der einen Seite stehen also strenge Anforderungen für politische Parteien – Stichwort „Chancengleichheit der Parteien“ und „politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger“. Auf der anderen Seite stehen die weniger strengen Anforderungen für gemeinnützige Organisationen.

 

Parteipolitik vs. Gemeinnützigkeit

Wenn sich also die Deutsche Umwelthilfe punktuell auf einzelne Aktionen beschränkt, die auch eng im Zusammenhang mit ihren satzungsmäßigen Zwecken stehen, dann ist nicht zu befürchten, dass die Tagespolitik zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit wird. Sowohl die gerichtliche Durchsetzung gesetzlicher Umweltstandards – Stichwort „Diesel“ – als auch die Verfolgung von Wettbewerbsrechtsverstößen durch Verbandsklagen – Stichwort „Abmahnverein“ – gehören zum Kerngeschäft einer gemeinnützigen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation.

Das gilt unabhängig davon, wie diese konkreten Forderungen inhaltlich und politisch bewertet werden, solange die Organisation sich parteipolitisch neutral verhält. In Einzelfällen ist die Abgrenzung zur gemeinnützigkeitsschädlichen allgemeinpolitischen Betätigung aber durchaus schwierig und kann auch je nach Finanzamt unterschiedlich ausfallen.

 

Ausblick: Zentralzuständigkeiten und neuer Fördertatbestand?

Im Interesse der Rechtsanwendungsgleichheit könnte eine Lösung sein, für die Beurteilung der Gemeinnützigkeit Zentralzuständigkeiten entweder auf Bundes- oder zumindest auf Länderebene zu schaffen, statt wie bisher die Gemeinnützigkeit durch die Finanzämter feststellen zu lassen.

Außerdem könnte es sich anbieten, einen neuen Fördertatbestand für politische Körperschaften zu schaffen – sozusagen die „Light-Version“ von Parteien. Diese müssten dann aber bezüglich Spenden und Transparenz den gleichen strengen Anforderungen genügen. Melina Kammerer ist der Meinung, dass der Gesetzgeber damit die Rolle von solchen zivilgesellschaftlichen Organisationen stärken würde, die sich politisch betätigen und dadurch am Prozess der politischen Willensbildung mitwirken.

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