Inhalt der Arzt- und Krankenhaushaftung
Die Haftung der Ärztinnen und Ärzte meint an dieser Stelle nicht die strafrechtliche Verantwortung. Gemeint sind vielmehr Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen Krankenhäuser und die Ärzteschaft im Fall von Behandlungsfehlern oder unzureichender oder gar pflichtwidrig unterlassener Aufklärung vor der Behandlung.
Ärztliches Vorgehen unterliegt Standards
Es gilt grundsätzlich der Facharztstandard. Dieser definiert für bestimmte Erkrankungen genaue Vorgehensweisen, wobei stets die konkret-individuelle Situation des oder der Betroffenen beachtet werden muss. Eine Berufung auf besondere Umstände wie eine Überforderungssituation ist danach normalerweise nicht möglich. Nun kann es jedoch zu Situationen kommen, in denen das Handeln nach dem Facharztstandard menschlich nicht mehr geleistet werden kann. Ein aktuelles Beispiel liefert die Corona-Pandemie: Kommen sehr viele Menschen mit einer Corona-Infektion gleichzeitig ins Krankenhaus, ist das Vorgehen nach dem Facharztstandard oft unmöglich. Dann muss zu Gunsten von Patient*innen und Ärzt*innen akzeptiert werden, dass eine standardunterschreitende Versorgung immer noch besser als keine Versorgung ist.
Haftung aufgrund von Organisationsverschulden
Beachtet werden muss jedoch das sogenannte Organisationsverschulden. Kliniken müssten dabei in Anbetracht der Umstände Strategien entwickeln, die verhindern, dass es zu einer solchen Überforderung der Ärzteschaft überhaupt kommt. Dazu könnten beispielsweise Überlegungen angestellt werden, wie mehr Kapazitäten geschaffen und Abläufe optimiert werden können.
Konkret bedeutet das, dass die Standards in Krisenzeiten herabgesetzt sein können und müssen, um von der Ärzteschaft nichts Unmögliches zu verlangen. Gleichzeitig werden sie und die Krankenhäuser nicht gänzlich aus ihrer Haftung entlassen. Die Frage, wie viel im Einzelfall konkret geleistet werden muss, ist nicht abschließend geklärt. Es gibt nur sehr wenig Judikatur, die sich mit solchen Fällen beschäftigt.
Videoreihe „Fofftein“
Mit der Videoreihe „Fofftein“ möchten wir juristische Themen von gesellschaftlicher Relevanz für die interessierte, aber juristisch nicht vorgebildete Öffentlichkeit erklären und einordnen. Hierzu werden Mitglieder der Fakultät, Alumnae oder Alumni als Expert*innen eingeladen. In 5-10 Minuten – eben einer kurzen Kaffeepause – führen wir in die Thematik, beteiligte Akteure und die Umstände ein und erklären die Grundsätze des behandelten rechtlichen Themas.
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Kein juristischer, aber ein menschlicher Rat
Gerade bei Situationen, die nicht zu einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung oder sogar zum Tod führen, sollte in Krisenzeiten – soweit rechtlich vertretbar - von einer Haftung abgesehen werden, meint Prütting. Es sei auch der große Druck, unter dem die Ärzteschaft und die Krankenhäuser stehen, zu beachten. Insbesondere aus menschlicher Perspektive sollte die Zivilbevölkerung die Krankenhäuser und die Ärzteschaft unterstützen, statt mit Klagen über sie herzufallen. Dieser Hinweis soll selbstredend nur jene Konstellationen betreffen, in denen behandlungsfehlerhaftes Vorgehen gerade überforderungsbedingt veranlasst gewesen sind.
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