Richterin Barbara Salesch – an der Bucerius Law School

Pointiert und fesselnd erzählt sie über ihre juristische Karriere.

Ein entscheidenes Fußballspiel steht am Abend des 1. Juni 2015 an: Der HSV kämpft in Karlsruhe gegen den KSC um den Klassenerhalt. Wer hätte daher gedacht, dass sich zur gleichen Zeit so viele Studierende der Bucerius Law School statt vor den Fernseher zu einem Vortrag in den Heinz Nixdorf-Hörsaal setzen würden? Zweifelsohne liegt es an der Bekanntheit der Rednerin, die zudem beide Fußballstädte vereint: Die langjährige Wahlhamburgerin wuchs nahe Karlsruhe auf.

Im schwarzen Gewand, buntes Tuch um den Hals, Haare rot, so wie man sie kennt, tritt Fernsehrichterin Barbara Salesch vor ihr junges Publikum. Sie erscheint mehr als Künstlerin denn  als Juristin und erzählt über ihr Leben, ihre Karriere, ihr Buch „Ich liebe die Anfänge“ (Krüger Verlag). Das tut sie so herzerfrischend und mit judikativem Witz, dass die Zuhörer immer wieder in schallendes Gelächter ausbrechen.

Leidenschaftlich gibt die 65-Jährige zig persönliche Details aus ihrem Leben preis. Vom Vater, der bei ihrer Geburt kehrt machte, weil er lieber einen Jungen wollte. Wie sie sein Herz eroberte und er ihr für alle Zeiten den Rücken stärkte. Wie sie für seine Baufirma Garagentore auslieferte und nach dem Abitur überlegte, was sie mit sich anfangen sollte. „Ich bin nicht gerne draußen, schon gar nicht im Regen“, gesteht sie, „und Blut kann ich auch nicht sehen.“ Jura war nicht verkehrt, „da muss man sich nicht festlegen“. Nach zwei Semestern in Freiburg ging sie nach Hamburg, wo sie eine strenge Pensionswirtin erwartete, dann eine Hasch-WG und schließlich die eigene Bleibe. Finanziert hat sie sich das Studium selbst und durchs Jobben viel über die Art Klientel erfahren, die sie später als Richterin für Strafprozessrecht vertrat: „Als solche braucht man die Fantasie einer Puffmutter und die Genauigkeit einer Oberbuchhalterin.“

Nach knapp 20 Richterjahren fragte die Landgerichtspräsidentin sie unvermittelt, ob sie zum Fernsehen wolle. Es wurde jemand für ein Schiedsgericht gesucht. „Pah, kann ich nicht!“, entgegnete Frau Salesch damals, sie mache nur Strafrecht, kein Zivilrecht. „Und das ist typisch Frau“, bemerkt sie heute. „Kein Mann würde sagen, das kann ich nicht.“ Mutig entschied sie sich um und fuhr zur Probeverhandlung ins Studio, die TV-Karriere nahm ihren Lauf. „Ab dem zweiten Jahr schrieb ich die Drehbücher selbst.“ Mit Erfolg. „Drei Millionen Zuschauer hatten wir nach drei Jahren. Ich fand es toll, mit Unterhaltung den Leuten Recht näherzubringen.“ Doch irgendwann hatte sie es satt, als „Mutter Salesch mit moralischer Urteilsbegründung Frieden zu schaffen “. Nach zwölf Jahren wurde die Sendung abgesetzt und ihre dritte Karriere folgte. Letztes Jahr schloss sie ihr Studium der Freien Malerei ab, 2016 macht sie eine Ausstellung.

„Meine Damen und Herren, wenn sie später in Ihren Büros vor nackten Wänden sitzen, vielleicht wollen Sie dann einen Salesch.“ Mit diesen Worten endet ihr Vortrag – und das Fußballspiel andernorts mit Jubel, Trauer und Klassenerhalt für den HSV.

Text

Anja Reinbothe-Occhipinti, freie Journalistin

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