Am 7. Februar 2024 waren Dr. Simone Kämpfer,Professor Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Dr. Lea Babucke und Dr. Eva-Maria Schwarzer von der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer zu Gast im Helmut Schmidt Auditorium. Sie sprachen über den rechtlichen und unternehmerischen Umgang mit sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz. Hohenstatt und Schwarzer beleuchteten den arbeitsrechtlichen Teil, Kämpfer und Babucke den strafrechtlichen. Andrea Leuck-Baumanns, Gleichstellungsperson der Bucerius Law School, stimmte die Veranstaltung auf das Ziel ein, eine Kultur der Offenheit und Gleichberechtigung in Unternehmen zu schaffen. Fee Weinberger, Studentin des Jahrgangs 2020 sowie studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Strafrecht I von Professor Dr. Karsten Gaede, moderierte die Runde souverän. Die Veranstaltung wurde in Verbindung mit der hochschuleigenen Initiative Diversity Matters durchgeführt.
Anfänge und Entwicklung von #MeToo
Das Hashtag #MeToo geht auf Aktivistinnen zurück, die im Zuge der Affäre um Harvey Weinstein auf die weite Verbreitung von sexuellem Missbrauch aufmerksam machen wollten. Millionen Nutzer*innen von sozialen Medien verwendeten das Hashtag und stießen so eine breite gesellschaftliche Debatte an. Da die überwiegende Zahl der Opfer weiblich ist, seien diese Vorfälle Angriffe auf die Gleichstellung an sich, so Hohenstatt in seinem Eingangsstatement. Daher komme die politische Polarisierung.
Kämpfer konstatierte eine gewaltige Veränderung im Umgang mit sexuellen Übergriffen im Laufe dieser sieben Jahre. Kämpfer wies zudem darauf hin, dass in der medialen Debatte um Vorfälle sexuellen Missbrauchs viele unterschiedliche Dinge miteinander vermengt würden. So werde der unter vier Augen typische Aussage-gegen-Aussage-Situation in der öffentlichen Debatte viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt. In der Rechtspraxis gelte nämlich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Kämpfer riet außerdem dazu, in der Berichterstattung klar zwischen Vorfällen, die im Bereich des Strafbaren liegen, und „nur“ moralisch verwerflichem Verhalten zu trennen.
Der Stand
Alle vier Referent*innen führen seit mehreren Jahren #MeToo-Untersuchungen in Unternehmen. Sie gewährten dem Auditorium einen Einblick in ihre Berufspraxis und die zu lösenden Fragen im Zusammenhang mit #MeToo.
Ist es sinnvoll oder gar zwingend, die beschuldigte Person erst einmal für die Dauer der Untersuchung zu suspendieren? Wann ist ein Unternehmen gut beraten, die Staatsanwaltschaft zu informieren? Was machen Anwälte in der Befragung anders als Staatsanwälte? Welche Nachteile drohen, wenn Unternehmen aus Angst vor Komplikationen bestimmte Stellen nicht mit Frauen, die Opfer von sexueller Belästigung oder Machtmissbrauch werden könnten, besetzen?
Heute sei vielen Unternehmen ihre wichtige Rolle bei der Prävention und Ahndung von Übergriffen bewusst. Das liege nicht nur am Leitbild der ethischen Unternehmensführung, sondern sei auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, erklärte Kämpfer. Sexuelle Übergriffe würden in der Branche schnell die Runde machen. In der Folge würden sich Kunden und Geschäftspartner verabschieden, wichtige Mitarbeiter kündigen, Investoren viele Fragen stellen und sich abwenden. Durchschnittlich würden die Aktien börsennotierter Unternehmen um 1,5 % an Wert verlieren, wenn ein Vorfall sexuellen Missbrauchs bekannt wird.
Ausblick auf neue rechtliche Regelungen
Schon die Einführung des § 184i StGB im Jahr 2016 war nicht unumstritten. Denn mit ihr wurden erstmals bloße Berührungen kriminalisiert, soweit sie sexuell konnotiert und zur Belästigung der anderen Person geeignet sind. Das führte zu Kritik, auch aus den Reihen der Staatsanwaltschaft, so Babucke. Nachgedacht werde aber auch über eine Kriminalisierung des sogenannten Catcallings, also der nur verbalen sexuellen Belästigung, die unter anderem von der SPD-Bundestagsfraktion befürwortet wird.
Im Anschluss blieb Zeit für Fragen aus dem Publikum, die später bei Brezeln und Wein im Foyer des Auditoriums weiter diskutiert wurden.