Um langfristig Siegermentalität wie Ali und Co. zu entwickeln, müssen Sie verstehen, dass sich mentale Stärke ebenso trainieren lässt wie körperliche Kraft. Die folgende BRAIN-Methode ist ein Trainingsprogramm für den Kopf. Damit trainieren Sie Ihre Reaktionsflexibilität und legen den Grundstein für die Entwicklung mentaler Stärke. Bereiten Sie sich anhand der folgenden fünf Schritte vor, spielen Sie im Geiste bereits im Vorfeld durch, wie Sie sich in Zukunft entsprechend verhalten wollen. Benennen Sie Ihre „mentalen Baustellen“ (vgl. Self-Check) und gehen Sie die fünf Stufen von BRAIN systematisch durch. Je besser Ihnen dies bereits im Geiste gelingt, desto höher die Chance, dass Ihr erwünschtes Verhalten auch Realität wird.
B: Beobachten
Der erste Schritt besteht darin, sich gewissermaßen aus der Vogelperspektive bzw. aus einer Metaebene zu beobachten. Damit entsteht ein entsprechender Abstand und die Möglichkeit, Reaktionsmuster gezielt zu erkennen, zu entschleunigen und zu „de-automatisieren“.
Folgende Leitfragen helfen Ihnen beim Prozess der Selbstbeobachtung:
- Was passiert gerade mit mir?
- Wie erlebe ich die Situation?
- Was sagt mir dieses Verhalten über mich selbst?
Tipp
Lernen Sie von Novak Djokovic!
Spitzensportler wie Novak Djokovic schaffen es, sich in Drucksituationen innerhalb von Sekunden (!) zu beruhigen und das Gehirn auf Selbstkontrolle zu schalten. Auf die Frage, was vor einem Return bei besonders wichtigen Punkten in seinem Kopf vorgehe, antwortet der 18-fache Grand Slam Sieger:
„Ich versuche, mich nur in den gegenwärtigen Augenblick zu versetzen, nicht gegen die Gedanken anzukämpfen, sondern die Gedanken zwar wahrzunehmen, aber dabei meine Selbstkontrolle und Ruhe zu bewahren.“ (FOCUS, 37/15)
Der entscheidende Trick dabei: Durch die bloße Beobachtung der Gedanken schaltet das Gehirn automatisch auf eine distanzierte Haltung, was wiederum unmittelbar für innere Ruhe sorgt und damit den Weg zur Selbstkontrolle freimacht.
R: Reflektieren
Nun geht es darum, dieses automatische Reiz-Reaktions-Muster selbstkritisch zu hinterfragen. Durch die gezielte Trennung von Gedanken („Was denke ich?“) und Emotionen („Was fühle ich?“) gelangen Sie in die Lage einer objektiveren Bewertung.
Lassen Sie sich dabei von folgenden Fragen anregen:
- Welche Gedanken habe ich? Was sage ich zu mir?
- Was fühle ich? Welche Emotionen nehme ich wahr?
- Wo wird das enden, wenn ich mich auch in Zukunft immer so verhalte?
A: Achtsamkeit
Versuchen Sie, während dieser „Ich spreche mit mir selbst!“- Auseinandersetzung geistig so präsent wie möglich zu bleiben. Oft drängen sich Gedanken der Vergangenheit nach dem Motto „Das schaffst Du sowieso nicht“ oder „Bringt das wirklich was?“ in den Vordergrund. Machen Sie sich bewusst, dass das Gehirn gar nicht anders kann als sich an der Vergangenheit zu orientieren, doch dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Sie Ihre „zukünftige Vergangenheit“ neu programmieren.
Ein probates Mittel um im „Hier und Jetzt“ zu bleiben, sind ein paar bewusste Atemzüge. Atmen Sie dreimal tief ein und aus und spüren Sie der Atembewegung im Bauch bewusst nach. Spüren Sie die kurze Atemstille zwischen Aus- und Einatmung.
Tipp
Atmen Sie wie Dirk Nowitzki vor einem Freiwurf!
„Bei Freiwürfen entspanne ich mich immer nach demselben Ritual. Ich tippe den Ball dreimal auf, atme langsam und tief aus, oft summe ich noch mein Lieblingslied - so kann ich mich förmlich aus der Halle herausnehmen.“ (Sport BILD; 22/06)
Profis schaffen es mit ein bis zwei Atemzügen das Gehirn in einen Zustand der Entspannung und zugleich höchster Konzentration zu bringen. Entscheidend dafür ist eine bewusst in die Länge gezogene Ausatmung. Die verlängerte Ausatmung aktiviert den Vagusnerv, der für Entspannung und gleichzeitig geistige Fokussierung sorgt.
Die „4 zu 6“-Atmung: So beruhigen Sie Ihren Geist!
Atmen Sie langsam durch die Nase ein und zählen dabei bis vier. Atmen Sie durch den Mund aus und zählen dabei bis sechs. Sie werden schnell erkennen: Bereits nach wenigen Atemzügen ist Ihr innerer Zustand ein anderer!
Exkurs: Djokovic & Nowitzki = Achtsamkeits-Meditation (MBSR)
Die Kombination von Djokovics Gedankenbeobachtung und Nowitzkis Atemtechnik stellt das Gerüst der Achtsamkeits-Meditation dar, auch MBSR (Mindful Based Stress Reduction) genannt, ein von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn entwickeltes Trainingsprogramm. Ziel ist es, seine ungeteilte Konzentration permanent auf die Atmung zu lenken. Immer dann, wenn sich ablenkende Gedanken ins Bewusstsein drängen (was immer passiert), werden diese mit einer freundlich-distanzierten Haltung wahrgenommen (wie Djokovic das beschreibt), doch man identifiziert sich nicht mit diesen und lässt sie weiterziehen, indem man sich wieder auf die Atmung fokussiert (wie Nowitzki dies beschreibt). Dieses systematische „Hin und Her“ im Kopf ist eines der einfachsten und zugleich effektivsten Trainingsmethoden zur Entwicklung von Selbstkontrolle, geistigem Fokus und mentaler Stärke.
Eine Einführung in das MBSR-Training nach Kabat-Zinn finden Sie hier.
Wer wissen will, wie sich Spitzensportler wie Tom Brady oder Michael Jordan mit Achtsamkeits-Meditation zu Höchstleistungen bringen, für den ist das folgende Video Pflicht.
I: Innovation
Nun geht es um die Frage, wie Sie sich gerne verhalten würden. Verändern Sie Ihre Perspektive, indem Sie sich selbst durch eine andere Brille sehen.
Lassen Sie sich von den folgenden Fragen inspirieren:
- Vorbild-Brille: Wie würde sich mein Vorbild verhalten?
- Freundes-Brille: Was würde mir ein guter Freund raten?
- Weitblick-Brille: Wie werde ich morgen denken, wenn ich mich heute positiv und stark verhalte?
N: Neues Verhalten trainieren
Ihr Erfolg hängt in hohem Maße davon ab, inwieweit Sie bereit sind, an sich zu arbeiten, und mit wie viel Selbstdisziplin und Beharrlichkeit Sie ans Werk gehen. Die Gehirnforschung geht davon aus, dass es eines Zeitraums von ca. zwei bis drei Monaten bedarf, bis man aus einem Vorsatz - unabhängig ob es sich dabei um ein neues Verhalten (z.B. Treppe statt Aufzug oder Wasser statt Cola) oder die Entwicklung mentaler Disziplin im Sinne einer bewussten Veränderung seiner Einstellung handelt - eine neue Gewohnheit macht. Es ist wie beim Einstudieren eines neuen Tanzschrittes oder beim Vokabellernen: Übung macht den Meister!
Machen Sie die Veränderung Ihrer mentalen Reaktionen zu Ihrer persönlichen Herausforderung (Challenge), verpflichten Sie sich für einen Zeitraum von 10 Wochen (Commitment) und machen Sie sich mit Selbstbewusstsein (Confidence) auf den Weg.
Tipp
Nehmen Sie sich Jan Frodeno zum Vorbild!
„Vom Weichei zum besten Triathleten der Welt“ lautete die Überschrift eines Artikels im STERN, in dem der dreifache Ironman-Sieger Jan Frodeno ehrlich und offen wie selten zuvor ein Athlet Einblick in sein Seelenleben gewährt. Hier können Sie am Beispiel einer Weltkarriere nachvollziehen, wie man durch systematisches Training Siegermentalität entwickelt und dass es sich lohnt, mit Ehrlichkeit und Beharrlichkeit an sich zu arbeiten. (https://www.stern.de/sport/sportwelt/jan-frodeno--vom-weichei-zum-besten-triathleten-der-welt-7274590.html)
Fazit
Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Karriere zunehmend von der Entwicklung Ihrer Persönlichkeit abhängt. Nehmen Sie sich Carol Dwecks „dynamisches Selbstbild“ zum Vorbild und arbeiten Sie an sich. So wie Sie sich innerhalb von 10 Wochen fit für einen 10 Kilometerlauf machen können, können Sie auch Ihr Mindset in Form bringen. Ob körperliche oder geistige Fitness: Alles eine Frage des Trainings! Machen Sie die Arbeit im Kopf zu Ihrem obersten Ziel und lassen Sie sich von einem Zitat von Golf-Ikone Tiger Woods inspirieren, der sagte: „Ich messe Erfolg nicht an Siegen, sondern an der Frage, wie ich mich verbessere.“