Nachdem die SAPERE AUDE! – Veranstaltungsreihe der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und des Studium generale der Bucerius Law School im Januar mit der Frage nach der Wirklichkeit der Vernunft begonnen hatte, ging es am 1. März 2017 um die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft.
Hierfür war Prof. Dr. Holm Tetens für ein Gespräch mit den Philosophiedozenten des Studium generale, Prof. Dr. Dr. Kai-Michael Hingst und Dr. Sven Murmann in das Helmut Schmidt-Auditorium gekommen. Tetens ist Professor emeritus am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin, seine Arbeitsgebiete sind Wissenschaftstheorie, Logik, Argumentationstheorie, Philosophie des Geistes, Metaphysik, Religionsphilosophie und Existenzphilosophie. Hingst ist neben seiner Tätigkeit an der Bucerius Law School als Rechtsanwalt und Partner bei White & Case LL tätig, Murmann als Verleger und Inhaber des Murmann Publishers-Verlags.
Tetens erläuterte, dass gleich dem Glauben an Gott die beiden Annahmen unserer wissenschaftlich-technischen Zivilisation unbeweisbar seien. Die erste besage, dass die Wirklichkeit nur aus der ausschließlich wissenschaftlich erfahrbaren Welt besteht. Zu glauben, dass die Wirklichkeit mehr als das sinnlich Erfahrbare ist, sei aber nicht unvernünftig. Die zweite Prämisse sei, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse, gepaart mit Marktwirtschaft, zu mehr Glück und weniger Leid in der Welt führten.
Im Gegensatz zur ersten Prämisse ist die zweite empirisch überprüfbar; dass sie zutrifft, bezweifelten die Diskutanten allerdings. Anschließend wurde das Theodizee-Problem diskutiert, das nach Tetens keinen begrifflichen Widerspruch zum Gottesglauben aufzeige, sondern lediglich frage, ob ein allmächtiger, allgütiger und allwissender Gott gute Gründe dafür haben könne, Leiden zuzulassen, obwohl ihm das eigentlich nicht gefalle. Bezüglich menschlich verursachter Leiden sei solch ein Grund die menschliche Freiheit, bezüglich Naturkatastrophen könne angeführt werden, dass die Physik davon ausgehe, dass nur kleine Änderungen der Naturgesetze Leben auf der Erde unmöglich machen würden. Rationaler Glaube sei also durchaus möglich. Aufgabe der rationalen Theologie sei es, zu verhindern, dass der Glaube und religiöse Praktiken ins Irrationale und Gefährliche abgleiten.