Was ist wichtig? Gespräch mit Volkert Ruhe

„Ich würde mir mehr Zivilcourage wünschen“

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Am 19. Februar 2020 fand im Rahmen des Studium generale der Bucerius Law School ein offenes Gespräch mit Volkert Ruhe statt. Der Gründer und Geschäftsführer von „Gefangene helfen Jugendlichen“ (GhJ) berichtete vor interessierten Studierenden von der Arbeit des Vereins. Organisiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem.

Der Verein, so Ruhe, bringe Ex-Strafgefangene mit gefährdeten Jugendlichen zusammen. Gemeinsam besuchten sie Gefängnisse und erzählten den Jugendlichen von ihren Erfahrungen „hinter Gittern“. Dabei würde insbesondere darauf hingewiesen, wie leicht es sei, jemanden auch ohne Absicht ernsthaft zu verletzen. Dies wurde anhand eines Rollenspiels mit Moderator Thomas Dörtgöz demonstriert. Außerdem betonte Ruhe, dass nicht nur das tatsächliche Opfer einer Straftat Schäden erleide, sondern auch das Leben des Täters und der beiderseits beteiligten Angehörigen danach nicht mehr dasselbe sei. Wer einmal im Gefängnis gewesen sei, verliere danach oft den Anschluss, sei es aufgrund hoher Schulden oder Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Insgesamt sei es wichtig, der ihm von vielen Jugendlichen entgegengebrachten Faszination für das Verbrechen, bei der nur die vermeintlichen Vorteile gesehen würden, durch „Lernen am Beispiel“ entgegenzutreten. Dabei könnten nach Ruhes Erfahrung ein Drittel der Jugendlichen gut erreicht werden, ein weiteres Drittel teilweise und das letzte Drittel sei gar nicht erreichbar. Da sich „GhJ“ aber nur als „ein Mosaikstein in der präventiven Landschaft“ sehe, sei dies durchaus ein Erfolg.

Die Einzigartigkeit des Projektes gründe sich insbesondere darauf, dass die von den ehemaligen Gefangenen gegebenen Ratschläge aufgrund ihres Lebenswegs als authentisch empfunden würden. Ruhe selbst war in den 1980er Jahren im Kokainhandel tätig und verbüßte daraufhin eine achtjährige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Die Zeit dort nutzte er sinnvoll; er holte den mittleren Schulabschluss und das Abitur nach, absolvierte ein Fernstudium in Informatik und legte bereits dort den Grundstein für „Gefangene helfen Jugendlichen“. Daneben setzte er sich als Gefangenensprecher für die Rechte der Insassen ein – nicht immer erfolgreich, wie er den Studierenden verriet.

Im Anschluss an das Gespräch bestand die Möglichkeit, sich bei einem kleinen Snack über den Vortrag auszutauschen und dem Referenten weitere Fragen zu stellen.

Arne Lemke

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