Prof. Felix Hanschmann über seine aktuellen Forschungen (Forschungsheft 2022 | 2023)

Woran unsere Wissenschaftler:innen arbeiten / Internationaler Austausch - Blick über den Tellerrand.

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Bildung, Insolvenzen, Familien, Digitalisierung: Mit ihren Forschungen schaffen die Professor*innen der Bucerius Law School immer wieder neue, wichtige Erkenntnisse für die Rechtswissenschaft. Hier geben sie Einblicke in ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten.

 

Zwei rechtsbezogene Themenkomplexe

Auseinandergesetzt habe ich mich in den letzten 18 Monaten vor allem mit zwei rechtsbezogenen Themenkomplexen: Ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Schulschließungen in der Pandemie habe ich mich im Rahmen eines Gutachtens und der Arbeit an einem längeren Archivaufsatz intensiv mit dem vom Karlsruher Gericht neu entdeckten Recht auf schulische Bildung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 GG auseinandergesetzt.

Dabei interessieren mich insbesondere die langfristigen Implikationen der Entscheidung sowie die transdisziplinäre Einbettung des neuen Grundrechts. Diese Arbeiten sind verzahnt mit einer langfristig stattfindenden Veranstaltungsreihe, die ich in Kooperation mit der ZEIT-Stiftung unter dem Titel „Bildung ist Bürgerrecht“ veranstalte und in der unter anderem die sozialen Disparitäten im deutschen Bildungssystem kritisch behandelt werden.

 

Potenzial post- und dekolonialer Theorien

Basierend auf länger zurückliegenden Arbeiten und erneut angestoßen durch ein Symposium zum postkolonialen Völkerstrafrecht beschäftige ich mich intensiv mit dem Potenzial post- und dekolonialer Theorien für eine Kritik des Rechts. Abstrakt betrachtet liegen jene Potenziale zunächst in dem Interesse postkolonialer Theorien an Diskursen, die koloniale Expansionen begleitet, strukturiert und legitimiert haben.

Darüber hinaus untersuchen postkoloniale Theorien die Konstruktion individueller und kollektiver Identitäten unter Bedingungen kolonialer Ungleichheit. Die Wirkungen für das Selbstverständnis des kolonialen Zentrums sind der dritte Fokus postkolonialer Theorien.

Daraus ist die Idee eines Symposiums entstanden, das sich mit dem Thema „Litigating Reparations“ auseinandersetzen wird. Besonders wichtig waren und sind mir neben der Aktualität und der politischen Bedeutung der beiden Themenkomplexe die dogmatischen und rechtstheoretischen Herausforderungen, die damit verbunden sind.

 

Transdisziplinäre Perspektiven

Darüber hinaus faszinieren mich die transdisziplinären Perspektiven und der Austausch mit anderen Wissenschaftsdisziplinen, die beide Themen notwendigerweise bedingen. Die individuelle und gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Themas Bildung ist nicht nur aus einer bildungspolitischen Perspektive zentral für die Zukunft.

Es ist eingebettet in rechtliche Rahmenbedingungen, die von verschiedenen Grundrechten sowie sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie dem staatlichen Bildungs -und
Erziehungsauftrag, bestimmt sind.

Diese gilt es vonseiten der Rechtswissenschaft meiner Ansicht nach auch daraufhin zu untersuchen, welche Potenziale sie für ein gerechteres, von strukturellen Benachteiligungen möglichst freies Bildungssystem besitzen. Die (andauernde) Bedeutung des Kolonialismus für die deutsche Rechtswissenschaft wurde bis vor Kurzem aus verschiedenen Gründen im wissenschaftlichen Diskurs nicht thematisiert. Post- und dekoloniale Theorien wurden kaum rezipiert.

Verhandlungen über Entschädigungszahlungen, beispielsweise zwischen Namibia und der Bundesrepublik Deutschland wegen der während des deutschen Kolonialismus verübten Verbrechen, haben das Thema jedoch ebenso in den Fokus gerückt wie die umstrittene Rückgabe kultureller Güter.

Gefordert ist vonseiten der Rechtswissenschaft sowohl eine dogmatische wie rechtstheoretische Auseinandersetzung, die ihre eigene Positionalisierung und ihre Vorurteile kritisch hinterfragt.

 

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momentum,

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