Um dem Thema gerecht zu werden wurde ein interdisziplinärer Ansatz gewählt: Neben dem Juristen Prof. Dr. Rodi, Universität Greifswald und Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität, konnte mit Privatdozent Dr. Growitsch, ehemaliger Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinistituts, auch ein Referent gewonnen werden, der die Fragen zum Kohleausstieg aus einen ökonomischen Blickwinkel betrachtete. Das Interesse von über 30 Studenten, Wissenschaftlern und Praktikern bewies die Aktualität und Relevanz der Thematik.
Prof. Dr. Fehling, akademischer Leiter der Energy Law Initiative, eröffnete die Bucerius Energy Law Lecture mit der Vorstellung der Referenten und dem Hinweis auf die auch politische Brisanz des zu behandelnden Themas. In der Folge begann Prof. Rodi mit einer juristischen Analyse der vorgeschlagenen Lösungsansätze zur Dekarbonisierung des deutschen Strommarktes. Unter Hinweis auf das „Versagen des europäischen Zertifikatehandels“, welcher angesichts des niedrigen Preisniveaus keine Steuerungswirkung entfalte, betonte er die Notwendigkeit zum Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers. Während eine Vielzahl an diskutierten Maßnahmen nicht die gewünschte klimaschützende Effektivität aufweisen würden, wären andere – insbesondere scharfe ordnungsrechtliche Eingriffe in bestehende Kraftwerksgenehmigungen – wegen des grundrechtlichen Vertrauensschutzes der kohleverstromenden Unternehmen nur verbunden mit Entschädigungszahlungen möglich. Bei wieder anderen Maßnahmen sei die rechtliche Machbarkeit generell zweifelhaft, so beispielsweise bei der Implementierung von CO2-Grenzwerten ins BImSchG, welche erheblichen kompetenzrechtlichen Bedenken begegnen würde. Prof. Rodi kam somit zu dem Ergebnis, dass Abgabenlösungen die effektivsten und mit höchster Rechtssicherheit verbundenen Instrumente seien um den Kohleausstieg zu forcieren. Zwar sei die Möglichkeit von Sonderabgaben oder einer spezifischen CO2 Steuer zweifelhaft. Ohne weiteres sei es dem Gesetzgeber aber möglich die Privilegierung der Kohle bei der Energiesteuer zu beseitigen und die Steuer auch die darüber hinaus zu erhöhen.
Dem stellte PD Dr. Growitsch ein Plädoyer für den europäischen Zertifikatehandel entgegen. Er verwies darauf, dass globale Probleme wie der Klimawandel sich auf nationaler Ebene nur unzureichend lösen ließen. Ein Alleingang des deutschen Gesetzgebers beim Ausstieg aus der Kohleverstromung wäre gänzlich ineffektiv: Zum einen würden die freigewordenen Zertifikate nunmehr von ausländischen, deutlich weniger klimaschonenden Kraftwerken aufgekauft und dieser Strom dann wiederum nach Deutschland importiert. Zum anderen würde ein ordnungsrechtlicher Eingriff des Staates das Vertrauen der Stromunternehmen in den Markt soweit erschüttern, dass der Emissionshandel an sich beschädigt würde. Vielmehr könne eine Lösung, welche ökologische und ökonomische Interessen gleichermaßen berücksichtige, nur und ausschließlich im – gegebenenfalls reformierten – Zertifikatehandel gefunden werden. Eine übermäßige Privilegierung erneuerbarer Energien durch den Gesetzgeber sei nicht ratsam: dies würde dazu führen, dass im großen Stil unwirtschaftliche Technologien ausgebaut würden, welche in einigen Jahren technisch wahrscheinlich schon überholt seien. Vielmehr müsse hier konsequent auf Forschung gesetzt werden um die erneuerbaren Energien effektiver und ökonomisch sinnvoller zu machen.
Ausgehend von diesen unterschiedlichen Positionen entspann sich eine angeregte und lebhafte Diskussion zwischen den Referenten und Teilnehmern, welche zeigte, dass das Thema Kohleausstieg auch in Zukunft spannend bleibt.