Gibt es eigentlich gute rechtliche Gründe gegen Autonomie in der Familie? Diese Frage inspirierte lebhafte Diskussionen beim fünften Fachgespräch Familienrecht. Gesprächsteilnehmer*innen aus den Rechts- und Sozialwissenschaften, zahlreiche Nachwuchswissenschaftler*innen sowie Vertreter*innen der Justiz begegneten sich auf Einladung von Prof. Dr. Anne Röthel (Bucerius Law School) und Prof. Dr. Bettina Heiderhoff (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) im digitalen Raum. Abermals ging es bei der Tagung am 12. März 2021 darum, das Familienrecht mit etwas Abstand, „aus der Vogelperspektive“ zu betrachten und sich über den Standort, die Anliegen und die Leistungsfähigkeit des Familienrechts zu vergewissern.
Ein verfassungsrechtlicher Blick und eine empirische Studie
Nach einer Einführung durch Prof. Dr. Anne Röthel machte Prof. Dr. Christian Bumke (Bucerius Law School) den Auftakt mit einem zugespitzten Vortrag aus der Perspektive des Verfassungsrechts. Unter dem Titel „Autonomie und familienrechtliche Institutionen“ ging es ihm um Aufklärung von Eigenart, Inhalt und Wandelbarkeit der Einrichtungsgarantie der Ehe.
Darauf folgte ein gemeinsames Referat der Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Michelle Cottier und des Soziologen Prof. Dr. Eric Widmer (beide Universität Genf) zum Thema „Autonomie und Scheidungsfolgen: Ideal und Realität“. Beide arbeiten derzeit an einer empirischen Studie, mit der sie näheren Aufschluss über Gerechtigkeitsmuster und Inhalte von Scheidungsfolgenvereinbarungen in der Rechtspraxis erhalten wollen. Das Fachgespräch gab Gelegenheit, Konzeption und erste Ergebnisse der Studie vorzustellen und zu diskutieren.
Zuwendungen in gescheiterten Beziehungen und die Genese des Scheidungsrechts
Anschließend erörterte Prof. Dr. Claudia Mayer (Universität Regensburg) die dogmatische Einordnung und gerichtliche Praxis im Umgang mit Zuwendungen nach dem Scheitern von Beziehungen unter dem Titel „Autonomie und Vertrag: gewollt oder fingiert?“.
Den Abschluss bildeten die Überlegungen von Prof. Dr. Bettina Heiderhoff zu „Autonomie als Privatheit: Scheidung und Scheidungsfolgenrecht“. Sie nahm die Teilnehmer*innen mit auf eine Reise durch Raum und Zeit und führte so vor Augen, dass viele Eigentümlichkeiten des geltenden Ehe- und Scheidungsrechts nur vor unserem Erfahrungshintergrund verständlich sind, aber aus genau demselben Grund auch immer wieder zu hinterfragen und anzupassen sind.
Der Gesprächskreis, der sich alle zwei Jahre abwechselnd in Hamburg oder Münster trifft, wird das nächste Mal im Frühjahr 2023 in Münster zusammen kommen zum Thema „Geschlecht und Familienrecht“.