6. Rosenburg-Symposium – Folgerungen für das Ethos der Juristen

Die Unabhängige Wissenschaftliche Kommission stellt ihre Ergebnisse vor

Im Januar 2012 setzte das Bundesministerium der Justiz eine Unabhängige Wissenschaftliche Kommission (UWK) zur Aufarbeitung seiner NS-Vergangenheit ein. Ein Team von Historikern und Juristen untersucht seitdem den Umgang des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit, die personellen und sachlichen Kontinuitäten, die Verfolgung von Verbrechen im Zusammenhang mit dem Holocaust sowie Fragen von Amnestie und Verjährung. Auf regelmäßigen Symposien präsentierten die beteiligten Wissenschaftler Zwischenergebnisse und diskutierten diese mit der der Öffentlichkeit. Das am 29. Juni 2016 an der Bucerius Law School veranstaltete 6. Rosenburg-Symposium stand unter dem Motto „Die Rosenburg – Folgerungen für das Ethos der Juristen” und skizzierte die Endergebnisse, die im Herbst diesen Jahres von der UWK in einem Abschlussbericht vorgelegt werden.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz, erinnerte in seinem Grußwort daran, dass Juristen in Justiz und Verwaltung an der Errichtung der NS-Herrschaft beteiligt waren sowie den Völkermord vorbereitet und begleitet haben – Widerstand gab es nur marginal. Nach 1949 ist eine enorm hohe personelle Kontinuität festzustellen, so waren zeitweise bis zu 80 Prozent der Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) ehemals in der NS-Justiz aktiv. Folgen waren, dass Juristen die Aufarbeitung des Völkermords verhinderten, aber auch, dass ideologische Kontinuitäten festgestellt werden können, beispielsweise im „Zigeunerurteil” des BGH oder im „Schwulenparagraphen” § 175 des StGB. Maas betonte, dass historische Forschung kein Selbstzweck sei, sondern zu einem umfassend gebildeten Juristen gehöre. Er verwies darauf, dass in der gegenwärtigen Juristenausbildung die NS-Unrechtsgeschichte kein Pflichtstoff sei, und weniger als 10 Prozent der Jurastudierenden den Namen Roland Freisler richtig zuordnen könnten. Historische Bildung helfe dabei, Konsequenzen des eigenen Tuns zu überdenken und Mut zum Widerspruch zu haben, auch wenn dabei persönliche Nachteile in Kauf genommen werden müssten.

Der Historiker Prof. Dr. Manfred Görtemaker, Mitglied der UWK, skizzierte im Anschluss die Haupterkenntnisse der langjährigen Forschungsarbeit. Insgesamt gab es in der Justiz einen hohen Belastungsgrad, d.h. die Mitarbeiter, gerade auch diejenigen im höheren Dienst, hatten zu einem großen Anteil eine aktive NS-Vergangenheit. Die Justiz hat sich weitgehend der Strafverfolgung entzogen, es wurde beispielsweise kein einziger Richter verurteilt. Dies erstaunt umso mehr, da der erste Bundesminister der Justiz Thomas Dehler und der für Personalfragen zuständige Staatssekretär Walter Strauß biographisch keinen Anlass hatten, ehemalige Nazis einzustellen: Dehler war mit einer Jüdin verheiratet und Strauß stammte aus einer jüdischen Familie.

Sir Thomas Stuart Legg, ehem. Permanent Secretary of the Lord Chancellor’s Department and Clerk of the Crown in Chancery, deutete in seinem Vortrag die deutsche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und insbesondere das Rosenburg-Projekt als Inspiration und Vorbild für andere Länder, sich immer wieder aufs Neue die grundlegenden Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie vor Augen zu führen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion thematisierte Moderator Prof. Dr. Hermann Pünder, Bucerius Law School, zunächst das Ethos der Juristen, um im Anschluss über Folgerungen für die Juristenausbildung zu diskutieren. Auf dem Podium saßen die Gerichts-Reporterin des SPIEGEL Gisela Friedrichsen, Prof. Dr. Doris König, Richterin des Bundesverfassungsgerichts und ehemalige Präsidentin der Bucerius Law School, Prof. Dr. Christoph Safferling, UWK, sowie Prof. Dr. Bernhard Schlink, Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a.D. und Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg a.D. Das Podium war sich darüber einig, dass Ethik in der juristischen Ausbildung nicht gelehrt werden können, sondern gelebt werden müsse.

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Fotos: Arian Henning

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