Am 29. November 2022 hielt Prof. Dr. Felix Hanschmann, der seit Mai 2021 den Dieter Hubertus Pawlik Stiftungslehrstuhl Kritik des Rechts – Grundlagen und Praxis des demokratischen Rechtsstaates innehat, seine Antrittsvorlesung im Helmut-Schmidt-Auditorium der Bucerius Law School.
Das Recht auf Bildung als „neues“ Grundrecht?
Prof. Hanschmann gab zunächst einen Überblick darüber, wie (vermeintlich) neue Rechte durch das BVerfG entwickelt werden. Es handele sich regelmäßig um eine Reaktion des Gerichts unter anderem auf gewandelte gesellschaftliche, wissenschaftliche und technische Umstände. Das Recht auf Bildung, welches im Grundgesetz nicht explizit genannt wird, wurde vom BVerfG aus Anlass der pandemiebedingten Schulschließungen und dem Umstellen vom Präsenz- auf den Distanzunterricht im November 2021 erstmalig auf bundesstaatlicher Ebene anerkannt.
Das Potential des Rechts auf Bildung
Im Folgenden entfaltete Prof. Hanschmann seine These hinsichtlich des „neuen“ Grundrechts: Das schulrechtlich und bildungspolitisch innovative Potential des Rechts auf Bildung liege weniger in der klassischen abwehrrechtlichen Dimension als vielmehr in den Gewährleistungsdimensionen in Form eines Teilhaberechts auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu staatlichen Bildungsangeboten sowie eines Leistungsanspruches auf Einhaltung eines unverzichtbaren Mindeststandards von Bildungsangeboten.
Abbau struktureller Diskriminierung und Konkretisierung des Leistungsanspruches
In vielen Studien wurde bereits eine Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und/oder aus sozioökonomisch schwächeren Milieus nachgewiesen. Auf internationaler Ebene seien die Rechtsprechung bzw. die entsprechenden Ausschüsse sehr viel progressiver als in Deutschland. In der Sensibilisierung für diskriminierungsrechtliche Aspekte sieht Prof. Hanschmann daher ein großes Potential.
Bisher seien zudem Versuche gescheitert, die Erfüllung bestimmter individueller Bedürfnisse, soweit sie zum unverzichtbaren Mindeststandard gehören, zu verlangen. Mit der Entscheidung des BVerfG aus dem November 2021 sei dies aber nun ebenfalls möglich. Gleichzeitig erwachse hieraus aber auch die Notwendigkeit, das bisher nur in Konturen vorhandene Leistungsrecht mit Leben zu füllen. Denn auch das BVerfG hat in seiner Entscheidung nicht benannt, was es unter dem proklamierten Mindeststandard versteht.