NSU-Prozess – zu diesem Thema fällt den allermeisten vor allem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ein. Die Fixierung auf ihre Person, maßgeblich bedingt durch die Berichterstattung der Medien, hat dazu geführt, dass etwas Entscheidendes aus dem Blickfeld rückte: das Mitverschulden des Staates. Es gab schwerste Versäumnisse bei Behörden von Bund und Ländern, doch eine umfassende Aufklärung, die man den Opfern schuldig gewesen wäre, hat nicht stattgefunden. So urteilte Rechtsanwalt Sebastian Scharmer im Rahmen einer Veranstaltung des Studium generale. Er war an dem mehr als fünf Jahre andauernden Prozess als Vertreter von Frau Gamze Kubaşık beteiligt, der Tochter des vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordeten Mehmet Kubaşık.
Behörden ermittelten konsequent in die falsche Richtung
Scharmers Liste an Kritikpunkten ist lang: Er berichtete über die anfangs strukturell rassistisch geführten Ermittlungen und die massive Diskriminierung, die die Hinterbliebenen der Mordopfer erfahren haben. Die Behörden ermittelten konsequent in die falsche Richtung; sie zogen nicht in Betracht, dass es sich bei den Tätern um Rechtsradikale handeln könnte. Stattdessen versteiften sie sich auf die Annahme, man werde im familiären Umfeld der Opfer fündig – und erfragten etwa Stammbäume der Hinterbliebenen.