Der Umgang mit unvermeidlichen Restemissionen und die daraus resultierende Notwendigkeit technischer Negativemissionen sind mit der Ampel-Koalition einmal mehr in den politischen Fokus gerückt. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Anwendung von Carbon Capture and Storage bzw. Utilization (CCS/CCU) als Negativemissionstechnologien geschaffen werden sollten und wie dabei vermieden werden kann, dass Bemühungen und Innovationen zur CO2-Vermeidung ausgebremst werden, diskutierten Vertreter*innen der Politik und anderer Stakeholder in der „Berlin Lecture on Energy“ am 3. Juli 2023.
Keynote
In seinem Impulsvortrag erläuterte Sebastian Meyn, Managing Associate und Rechtsanwalt bei Linklaters LLP, die Rechtslage zur Speicherung und Nutzung von CO2 in Deutschland. Aufgrund der Vielzahl einschlägiger Gesetze und Regelungsmaterien sei sie komplex. Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ermögliche bereits die Abscheidung von CO2 an Punktquellen, während Direct-Air-Capture-Verfahren bisher gesetzlich nicht geregelt seien. CO2-Speicher seien nach dem Kohlendioxidspeichergesetz (KSpG) nur zu Forschungszwecken zugelassen worden, eine Neuzulassung sei derzeit jedoch nicht möglich. Auch der Bau von CO2-Leitungen setze eine Planfeststellung nach dem KSpG voraus, die Beförderung im Verkehr falle hingegen unter das allgemeine Gefahrgutrecht. Dem Export zum Zwecke der maritimen Lagerung stünde derzeit das Völkerrecht entgegen. Meyn resümierte, dass nun Anreize für Abscheidungs- und Kreislauftechnologien zu setzen seien, ohne die Ziele zur Emissionsvermeidung bzw. -minderung zu torpedieren. Positiv bewertete er deshalb die Bestrebungen der Bundesregierung, mit der Novellierung des Bundesklimaschutzgesetzes (KSG) Minderungs- und Entnahmeziele zu trennen. Auch eine Anpassung des europäischen Emissionshandels, um sowohl Emissionseinsparungen als auch Negativemissionen zu honorieren, sei anzudenken.
Diskussion
In der Diskussion wurde zunächst das Verhältnis von Negativemissionen und Emissionsreduktionen kritisch diskutiert. Einig waren sich alle Beteiligten, dass es einer gesetzgeberischen Definition von „unvermeidbaren Restemissionen“ bedürfe; teilweise wurde eine dynamische Definition gefordert. Angesichts eines vom Völker- und deutschen Verfassungsrecht vorgegebenen Vorranges der Reduktion sowie endlicher Kapazitäten für die CO2-Speicherung sei eine weitere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern unbedingt zu vermeiden. Pilotprojekte in der Biomethanproduktion könnten als Beispiele für eine zukünftige kreislauforientierte Kohlenstoffwirtschaft dienen. Besonders kontrovers wurde das unterirdische Verpressen von CO2, spezifisch in der Nordsee, diskutiert. Während einige Diskussionsteilnehmer*innen insofern auf eine schnelle politische Entscheidung für die CO2-Speicherung hofften, wurden Bedenken hinsichtlich des Monitoring entweichender Gase und ungeklärter Haftungsfragen geäußert. Bei den Kosten der CO2-Speicherung sei das Verursacherprinzip anzulegen; manche DiskussionsteilnehmerInnen befürchteten jedoch, dass die Errichtung einer entsprechenden Infrastruktur durch die Industrie wirtschaftlich kaum darstellbar sei. Vertreter*innen der Zementindustrie wandten sich mit einem dringenden Appell insbesondere an die anwesenden Politiker: Um im Zementsektor, der zur Klimaneutralität auf Negativemissionen angewiesen ist, CCU/CCS nutzen zu können, sei keine Zeit mehr zu verlieren und schnell gesetzlich Klarheit zu schaffen, gerade auch aufgrund der erwartbar langen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hoffnungen auf eine umfassende gesetzliche Regelung schon in den nächsten Monaten erteilten die Parteivertreter jedoch mit Verweis auf die Komplexität der erforderlichen Rechtsänderungen eine durchaus deutliche Absage.
Es diskutierten:
- Caroline Braun, Teamlead Geschäftsfeldentwicklung & CO2-Märkte, Landwärme GmbH
- Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik
- Robin Mesarosch, MdB (SPD)
- Mark Helfrich, MdB (CDU/CSU)
- Prof. Dr. Armin Grau, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
Die Veranstaltung wurde moderiert von Dr. Werner Schnappauf, Staatsminister a.D., Partner bei GvW Graf von Westphalen und Chairman des Center for Interdisciplinary Research on Energy, Climate and Sustainability (CECS) der Bucerius Law School, und Dr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forums für Zukunftsenergien e.V.
Wir danken Linklaters LLP für die Gastfreundschaft in ihren Berliner Räumlichkeiten und Chatham Partners für ihre Unterstützung bei der Durchführung der Veranstaltungsreihe.
Zur Pressemitteilung unseres Kooperationspartners, des Forum für Zukunftsenergien e.V., gelangen Sie hier.