Das Center for Interdisciplinary Research on Energy, Climate and Sustainabality

Das CECS erforscht am Rechtssitz Hamburg, wie Klimaschutz rechtlich wirksam wird – und gibt Empfehlungen für Politik und Gesellschaft.

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Das neue Center for Interdisciplinary Research on Energy, Climate and Sustainability (CECS) an der Bucerius Law School will einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten – durch Grundlagenforschung und politische Handlungsempfehlungen.

 

Klimaschutz erfordert rechtliche Instrumente statt Appelle

Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Geschichte der Widersprüche. Die Symptome der Erderwärmung sind längst nicht mehr zu übersehen: Während die Bürgermeister*innen mancher Gemeinden im Sommer zum Wassersparen aufrufen müssen, arbeiten andere Regionen gegen die Folgen von Überschwemmungen durch Starkregen an. Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde deshalb ein Ziel formuliert: Die Erderwärmung ist auf höchstens zwei Grad, möglichst nur auf 1,5 Grad zu begrenzen. Und dennoch gibt es in Deutschland so viele Kfz-Neuzulassungen wie nie zuvor, die Airlines freuen sich nach den Coronajahren über steigende Flugbuchungen. 

Nur zwei Beispiele, die zeigen: „Reine Appelle an individuelle Verantwortung oder ethisches Handeln haben nur eine sehr begrenzte Wirkung“, so Prof. Fehling, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht III – Öffentliches Recht mit Rechtsvergleichung an der Bucerius Law School. „Wir brauchen stattdessen einen Instrumentenmix aus staatlicher Planung, finanziellen Anreizen, Geboten und Verboten sowie edukatorischem Staatshandeln.“ Der Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Er muss politisch gelenkt werden – und das mit rechtlichen Instrumenten.

Das Recht ist auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ein wichtiges Steuerungsinstrument, weil es im Ergebnis wirklich etwas durchsetzen kann. Bei der Energieversorgung kann es beispielsweise den Rahmen für den Umstieg auf erneuerbare Energien setzen. Aber auch da hat sich erst beim umstrittenen Heizungsgesetz wieder gezeigt, dass beim Thema Klimaschutz widersprüchlichste Interessen aufeinanderstoßen: Die Verbraucher*innen und auch die Wirtschaft sind nicht ohne Weiteres bereit, ihr Verhalten anzupassen – und wenn, dann darf das zumindest nichts kosten.

 

Wie also muss das Recht ausgestaltet sein, um all diese Interessen auszutarieren?

Um einen solchen Rechtsrahmen mitzuentwickeln, hat Prof. Fehling im Herbst 2022 zusammen mit Prof. Dr. Christoph Kumpan das Center for Interdisciplinary Research on Energy, Climate and Sustainability (CECS) gegründet. Das CECS ist aus der Energierechtsinitiative „Energy Law and Policy“ der Bucerius Law School hervorgegangen, mit dem Ziel, den bisherigen Energierechts-Fokus zu einer klimaschutzrechtlichen Perspektive auszubauen. Das CECS will sich auf vier Forschungsfelder konzentrieren: Sektorkopplung, Digitalisierung der Energiewirtschaft, Green Finance und CO₂-Einsparpotenziale im Lebenszyklus von Produkten. 

Forschungsperspektiven in diesen vier Feldern wurden auf der Gründungstagung im September 2022 interdisziplinär abgesteckt. Eine weitere Tagung beschäftigte sich mit dem neuen Lieferkettengesetz und dabei auch mit der Frage des CO₂-Ausstoßes in der Lieferkette. Die Wissenschaftler*innen am Center wollen die Grundlagenforschung voran­treiben und darüber hinaus rechtspolitische Handlungsempfehlungen erarbeiten.

 

Wasserstoffinfrastruktur: Rechtsfragen beim Aufbau neuer Netze

Ein erster Schwerpunkt betrifft den Rechtsrahmen für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Um vom fossilen Erdgas wegzukommen und auf grünen Wasserstoff umzustellen, braucht es Wasserstoffnetze. Wie schafft man es, die Gasnetze schritt­weise darauf umzurüsten oder eigenständige Wasserstoffnetze auszubauen? Dazu gibt es auf nationaler und europäischer Ebene erste Gesetzesänderungen bzw. -entwürfe. Die große Grundfrage dabei ist, inwiefern man auf Wettbewerb setzen sollte oder auf der anderen Seite bereit wäre, beim Wettbewerb Abstriche zu machen, um besser Anreize für einen schnellen Aufbau der Infrastruktur setzen zu können. 

Eine zentrale rechtliche Frage ist beispielsweise die nach einer Entflechtung der Geschäftsfelder. Für Unternehmen wäre es attraktiv, wenn sie alles aus einer Hand anbieten könnten: die Erzeugung von grünem Wasserstoff, den Betrieb des Netzes und den Vertrieb des Wasserstoffs. Das aber könnte Monopolstellungen mit sich bringen und dadurch wiederum für den Wettbewerb hinderlich sein. Eine weitere elementare Frage ist, wie die staatliche Förderung beim Ausbau eines Wasserstoffnetzes organisiert werden kann. Im Gespräch sind nicht nur finanzielle Zuwendungen an investitionswillige Unternehmen. Sondern auch, ob der Staat sich selber in einer gemischtwirtschaftlichen Netzgesellschaft mit privaten Firmen engagieren sollte. Zu diesen Fragen hat Prof. Fehling Vorträge bei den Berlin Lectures on Energy Law and Policy und bei einer Arbeitsgruppe der Hamburger Akademie der Wissenschaften gehalten.

 

Individuelle CO₂-Budgets und Green Finance im Fokus

Ein zweiter Forschungsschwerpunkt des CECS-Gründers war die Frage, inwiefern die individuellen CO2Emissio­nen rechtlich rationiert werden könnten und wie ein solches System zugeschnitten werden sollte, um dessen politische Mehrheitsfähigkeit zu verbessern. Auf einem Vortrag am Integrative Research Institute Law & Society an der Humboldt-Universität Berlin sowie in einem wissenschaftlichen Aufsatz für die Zeitschrift „Der Staat“ hat Prof. Fehling vor allem ein Modell individueller, handelbarer Emissionskontingente für CO₂ erörtert. Dies knüpft an eine vor allem international unter Ökonomen und politisch vor einigen Jahren in Großbritannien geführte Diskussion an.

Der Forschungsschwerpunkt von CECS-Mitgründer Prof. Kumpan liegt im Bereich Green Finance. Green Finance will Finanzinvestitionen in möglichst nachhaltige Projekte lenken. Dafür muss der Finanzmarkt stärker auf grüne Anlagen ausgerichtet werden. Wie das rechtlich gestaltet werden könnte, hat Prof. Kumpan in wissenschaftlichen Beiträgen in der Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht sowie in der Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft behandelt.

 

Nachwuchsforschung zu Wärmewende und Sektorkopplung

Im ersten Jahr des CECS haben zudem zwei Nachwuchs-Wissenschaftler*innen ihre energierechtlichen Dissertationen auf die Zielgerade gebracht. Eine Arbeit beschäftigt sich mit der Wärmewende und da insbesondere mit Rebound-Effekten. Ein Problem bei der Energie­wende ist, dass effizientere Technik oft zu einem Anstieg des Verbrauchs führt: Wenn das Heizen durch eine bessere Dämmung billiger wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Verbraucher*innen eine höhere Raumtemperatur einstellen. Am Ende wird dann keine Energie gespart. Die Dissertation von Matthias Leymann befasst sich mit der Frage, wie diese Rebound-Effekte bei der Wärmewende durch rechtliche Gestaltung minimiert werden können. „Wir dürfen nicht alleine auf effiziente Technik setzen. Es braucht weitere Anreize, den Verbrauch zu drosseln“, so Prof. Fehling.

Die zweite, gerade abgeschlossene Dissertation befasst sich mit der Sektorkopplung, die oft als Schlüsselkonzept für die Energiewende bezeichnet wird. Dabei geht es darum, rechtlich den Einsatz von Strom auch in den Sektoren Verkehr, Wärmeversorgung und Industrie zu regeln: Anna Nyfeler, ebenfalls Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Fehling, promoviert zu der Frage, wie das Energierecht Sektorkopplungstechnologien steuern und fördern kann. Sie nimmt dabei besonders die Elektromobilität, den Einsatz von grünem Wasserstoff und die Kraft-Wärme-Kopplung in den Blick, bei der die Abwärme bei der Stromerzeugung zur Wärmeversorgung genutzt wird.

Die Forschungsthemen des CECS sind von hoher praktischer und politischer Relevanz. Ein Anspruch des CECS ist es deshalb, nicht nur Grundlagenforschung zu betreiben, sondern auch Handlungsempfehlungen an die Politik zu erarbeiten. Ein praktisch sehr relevantes Thema hat das CECS deshalb, für die Jahrestagung 2023 Ende September gewählt: „Kann Klimaschutzrecht Zeitenwende? Möglichkeiten zur Beschleunigung von Innovationen und Investitionen.“

Aus Forschungsheft 2022 | 2023

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