Schadensersatzklagen wegen Ehebruchs: Das Thema der Dissertation
Zwischen 1857 und 1970 gab es im englischen Recht eine Schadensersatzklage, die bei ausländischen Beobachtern größtes Befremden hervorrief. Die gesetzliche Schadensersatzklage wegen Ehebruchs eröffnete Ehemännern die Möglichkeit, die Geliebten ihrer Ehefrauen auf Geldersatz in Anspruch zu nehmen. Eike Götz Hosemann hat in seiner Dissertation die Geschichte der Klage untersucht – und sie in ihrem sozialhistorischen Kontext verortet.
Wie Hosemanns Untersuchung zeigt, war die Schadensersatzklage wegen Ehebruchs auch in England sehr umstritten. Dass Richter so sprachen, als ließe sich der Wert einer Ehefrau in Pfund und Shilling bemessen, empfanden etliche Angehörige der englischen Eliten als einen peinlichen Makel ihrer Rechtsordnung. Ausgehend von diesem Befund geht die Untersuchung den Fragen nach, weshalb das englische Parlament die Klage 1857 gleichwohl gesetzlich festschrieb – und weshalb es bis 1970 an ihr festhielt.
Die Untersuchung beleuchtet hierfür neben dem politischen Diskurs über die Schadensersatzklage auch deren gerichtliche Praxis. Wie die Untersuchung anhand von Gerichtsreportagen aus der Tageszeitung The Times zeigt, war die gerichtliche Praxis von handgreiflichen Widersprüchen durchzogen. So propagierten die Gerichte einerseits, dass die Klage ausschließlich dem Zweck diene, den Ehemann für erlittene materielle und ideelle Nachteile zu entschädigen. Andererseits kam der vom Ehestörer gezahlte Schadensersatz dem Kläger gar nicht immer zugute. Das Gericht konnte das Geld auch zur Absicherung des Unterhaltsbedarfs von Ehefrau und Kindern des Klägers bestimmen. Darüber hinaus wurde die Schadensersatzbemessung auch von Umständen beeinflusst, deren Berücksichtigung sich weder mit einem Kompensationsinteresse des Ehemanns noch mit Interessen von Frau und Kindern rechtfertigen ließ.
Gerade die Widersprüchlichkeit der Schadensersatzklage wegen Ehebruchs – so die zentrale These der Arbeit – war vermutlich ein Hauptgrund dafür, dass sie so lange in Geltung blieb. Die Klage konnte deshalb, je nach Umständen, gänzlich unterschiedliche gesellschaftliche Bedürfnisse bedienen: ein Bedürfnis nach Entschädigung des Ehemanns für erlittene materielle Schäden; ein Bedürfnis nach Bekräftigung der Verwerflichkeit der Ehestörung; und schließlich ein Bedürfnis danach, Ehefrauen nach der Scheidung nicht der Verelendung zu überlassen.
Betreuung
Erstgutachter der Dissertation und Betreuer des Dissertationsvorhabens war Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann, (inzwischen emeritierter) Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Das Zweitgutachten wurde erstellt von Prof. Dr. Christian Bumke, Inhaber des Commerzbank Stiftungslehrstuhls Grundlagen des Rechts an der Bucerius Law School.
Mündliche Prüfung
Im Rahmen der mündlichen Prüfung am 28. März 2023 hielt Eike Götz Hosemann einen Vortrag zum Der Scheinvaterregress nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch – Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens?“. Der Prüfungsausschuss bestand aus Prof. Dr. Hermann Pünder (Vorsitz), Prof. Dr. Florian Faust und Prof. Dr. Reinhard Zimmermann.
Zur Person
Eike Götz Hosemann studierte Rechtswissenschaft in Freiburg, Glasgow und an der Harvard Law School. Er war von 2012 bis 2018 am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht tätig und hat in den Jahren 2013 und 2014 an der Bucerius Law School unterrichtet. Derzeit ist er Pressesprecher im Bundesministerium der Justiz.
Die Arbeit wurde im vergangenen Jahr an der Bucerius Law School angenommen. Sie ist jetzt im Verlag Mohr Siebeck erschienen.