Die Beziehung zwischen Deutschland und China auf das Gegensatzpaar von Partnerschaft und Rivalität zu reduzieren, ist zu vereinfacht, erklärt China-Experte Prof. Dr. Klaus Mühlhahn im Studium generale.
Am 30. Oktober 2024 hielt der Sinologe und Präsident der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, Prof. Dr. Klaus Mühlhahn, im Rahmen des bereits 14. Bucerius Greater China Talks einen Vortrag über die komplexe Beziehung zwischen Deutschland und China im vollbesetzten Heinz Nixdorf-Hörsaal der Bucerius Law School. Er hob dabei besonders die Chinastrategie der deutschen Bundesregierung, die China als Rivalen, Partner und Wettbewerber kategorisiert, hervor, und hinterfragte diese kritisch.
„Diese vereinfachte Sichtweise wird der Realität nicht gerecht“, betonte Mühlhahn in seinem Vortrag. Besonders bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel sei eine konstruktive Zusammenarbeit mit China unerlässlich.
Historische Perspektive auf Chinas Wirtschaftsmacht und Wandel der deutsch-chinesischen Beziehungen
Der Wissenschaftler zeichnete ein differenziertes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas. Bereits um 1600 war das Land eine bedeutende Wirtschaftsmacht mit einem Anteil von etwa 30 Prozent an der Weltwirtschaft. Nach einem dramatischen Einbruch im 19. Jahrhundert erlebe China heute gewissermaßen eine Rückkehr zu seiner historischen Bedeutung.Die aktuelle Situation stelle Deutschland aber vor besondere Herausforderungen. Während bis etwa zum Jahr 2000 kaum von Wettbewerb oder gar Rivalität die Rede war, hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren deutlich verändert. Dies zeige sich besonders im Handelsbereich: man sieht China inzwischen als Wettbewerber auf Augenhöhe an und seit 2021 wächst das Handelsdefizit mit China immer weiter, wodurch man China immer stärker als Rivalen sieht und beispielsweise auch Zusatzzöllen auf Importe aus China offen steht, um die deutsche Wirtschaft zu schützen.
Chinesische Wirtschaftsstärken im Fokus
Dem Vortrag folgte ein Podiumsgespräch, in dem Dr. Stephan Kuntner, Alumnus der Bucerius Law School und der Gesprächspartner des Abends, die Stärken der chinesischen Wirtschaft hervorhob: "China überzeugt besonders durch Kundenorientierung, Schnelligkeit und Kosteneffizienz." Statt Frustration auf China zu projizieren, sollten deutsche Unternehmen ihre eigenen Systeme auf Wettbewerbsfähigkeit prüfen.
Mangelndes Verständnis als Herausforderung
Besorgniserregend sei laut Professor Mühlhahn und Dr. Stephan Kuntner auch der Rückgang des Interesses an und Verständnis für China in Deutschland. "Noch nie haben so wenige Menschen Chinesisch gelernt oder Sinologie studiert wie heute", so Mühlhahn. Dabei sei gerade jetzt ein tieferes Verständnis der chinesischen Kultur und Gesellschaft wichtiger denn je.
Die Referenten plädierten für einen pragmatischen Ansatz in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Eine reine Fokussierung auf Rivalität könne zu Konflikten führen, die sich keine der beiden Seiten leisten könne. Besonders in Bereichen wie Klimaschutz und Wissenschaft sei eine partnerschaftliche Zusammenarbeit alternativlos, denn beispielsweise in der Medizin, aber auch anderen Bereichen, sind wir auf die großen Datenmengen aus China angewiesen.
Die Veranstaltung machte deutlich: Deutschland muss einen ausgewogenen Weg im Umgang mit China finden – jenseits vereinfachender Kategorien wie Partnerschaft oder Rivalität. Nur so können die Chancen der Zusammenarbeit genutzt und gleichzeitig eigene Interessen gewahrt werden.
Das Publikum stellte im Anschluss an das Gespräch viele Fragen an die Podiumsgäste und es wurde auch nach der Veranstaltung bei Brezeln und Wein rege weiter diskutiert.
Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Regionalgruppe Greater China des Bucerius Alumni e.V.