Die Zusammenarbeit von Rechtswissenschaft und Praxis

Dr. Patrick Schroer spricht in einem Interview über die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und der Praxis – Forschungsheft 2021/22: Artikel #8

Executive Education |

Wie bringt das Center on the Legal Profession Wissenschaft und Praxis zusammen?

Wir wollen die Zukunft des Rechtsmarktes mitgestalten. Deshalb arbeitet unser Think Tank, das Center on the Legal Profession, sehr intensiv mit dem Bereich Executive Education zusammen, der zahlreiche Weiterbildungs- und Beratungsprojekte durchführt. Wir greifen die Themen und Trends auf, die sich in der praktischen Arbeit zeigen, bündeln das Wissen, führen Studien durch, veröffentlichen die Ergebnisse unserer Forschungsaktivitäten und stellen sie dem Rechtsmarkt wieder zur Verfügung.

 

Der praktische Input kommt also von der Bucerius Executive Education?

Ja. In den über 60 Kooperationen mit Wirtschaftskanzleien und Rechtsabteilungen erfahren wir sehr viel über den Rechtsmarkt. Der intensive Austausch findet durch Seminare, Workshops, Netzwerkveranstaltungen, Innovation Labs und Roundtables statt.

 

Welche Trends beobachten Sie zurzeit im Rechtsmarkt?

Ein Schwerpunkt ist natürlich das Innovationsthema Legal Tech und Legal Operations.

Bei der Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung sind viele Kanzleien und Rechtsabteilungen noch in der Findungsphase. Sehr interessant ist aber, dass neue Positionen wie Projektmanager, Legal Operations-Experten oder Legal Tech-Verantwortliche im Rechtsmarkt immer selbstverständlicher werden. Als Bucerius Education unterstützen wir beispielsweise als Sparringspartner bei der Weiterentwicklung der Mitarbeiter*innen oder in Beratungsprojekten.

Und wie sieht die wissenschaftliche Begleitung durch das Bucerius Center on the Legal Profession aus?

Dafür haben wir zum Beispiel Projekte wie das Open Innovation Lab. Das ist wie eine Entwicklungsplattform mit Marktbeteiligten. Beim Open Innovation Lab arbeiten große Rechtsabteilungen, Wirtschaftskanzleien und auf den Rechtsmarkt spezialisierte Technologieanbieter über zwei Jahre zusammen. In moderierten Workshops geht es darum, aufzuzeigen, welche Innovationen es gibt, diese erlebbar und greifbar zu machen und Impulse wieder mit in die Organisation zu nehmen.

 

Viele scheuen sicher die Kosten für Technologisierung.

In der Tat. Rechtsabteilungen müssen dafür Budgets im Unternehmen einfordern und Kanzleien den Mehrwert finden, der die Ausgaben rechtfertigt. Dabei zeigen unsere Erfahrungen, dass Rechtsabteilungen aufgrund der Anbindung ins Unternehmen naturgemäß näher dran an technologischen Entwicklungen sind.

 

Legal Tech ist eines Ihrer Schwerpunktthemen. Welche weiteren gibt es?

Ein weiterer, sehr wichtiger Schwerpunkt ist das Thema Führung und Organisationsentwicklung in Kanzleien.

 

Welche Trends beobachten Sie dort?

Seit rund zwei Jahren bemerken wir, dass Kanzleien diese Themen sehr beschäftigen. Dabei geht es oftmals um die Entwicklung einer ganz neuen Führungskultur. Auslöser sind häufig Konflikte innerhalb der Partnerschaft oder in der Zusammenarbeit mit den Nachwuchsjurist*innen. Aber auch der Einzug vieler neuer Professionen in Kanzleien führt zu Spannungen. Denn viele gute Leute verlassen sehr schnell wieder den Rechtsmarkt, wenn es ihnen an Entwicklungsoptionen, Wertschätzung und Freiheiten fehlt.
All diese Aspekte benötigen ein neues Selbstverständnis, nämlich, dass jede und jeder zur Wertschöpfung beiträgt, ganz egal ob nun Berufsträger*in oder nicht.

 

Was für Projekte gibt es zum Thema Führung und Leadership?

Ein Beispiel: Mit einer großen Wirtschaftskanzlei haben wir als Bucerius Executive Education ein umfangreiches Führungskräfteprogramm aufgebaut – für Partner*innen und Leitungsfunktionen in der Kanzlei. Das Besondere ist, dass bei der Entwicklung des Programms, also bereits im Planungsstadium, verschiedene Partner*innen und andere Beteiligte mit eingebunden waren. Die Folge ist eine sehr hohe Akzeptanz des Programms innerhalb der Organisation. Soweit der praktische Teil von diversen Projekten.

 

Und der wissenschaftliche?

Das Bucerius Center on the Legal Profession führt regelmäßig Studien durch. Im letzten Jahr haben Professorin Madeleine Bernhardt und Emma Ziercke eine Studie zum Thema „Hochleistung unter Druck“ durchgeführt, um emotionale Strategien zu untersuchen und auf Basis der Ergebnisse Best-Practice-Beispiele zu vermitteln. Das gesammelte Wissen stellen wir dann gerne unserem gesamten Netzwerk zur Verfügung.

 

Inwiefern sind die Studierenden der Bucerius Law School im Fokus des Bucerius Center on the Legal Profession?

Das Ziel unserer Arbeit ist es auch, die Entwicklungen im Rechtsmarkt frühzeitig zu erkennen und unsere Studierenden entsprechend darauf vorzubereiten. Aufgrund der angesprochenen Themen ist der Rechtsmarkt so stark im Wandel wie noch nie – die heutigen Studierenden werden den Rechtsmarkt nach ihrem Abschluss anders erleben, als er im Moment noch ist. Unser Anspruch, diesen Wandel zu begleiten, ist Herausforderung und Chance zugleich. Das bunte Leben auf dem Campus der Bucerius Law School, dessen Teil wir sind, führt uns immer wieder vor Augen, für wen unsere Arbeit einmal relevant sein wird – die Zukunft des Rechtsmarkts läuft uns letztendlich täglich über den Weg.  

Zur Person

Dr. Patrick Schroerabsolvierte nach dem Ersten Juristische Staatsexamen ein MBA­ Programm. Nach Stationen an der Frankfurt School of Finance & Management, der EBS Law School und der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie (WIAP) wurde er 2015 zum Geschäftsführer der Bucerius Education GmbH bestellt.

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