Kollege Computer birgt perspektivisch die Chance, den Fokus der anwaltlichen Tätigkeit auf besonders anspruchsvolle und spannende Beratungsleistungen zu legen, glaubt Tobias Heining. Die intelligente Kombination von technologischen, effizienzsteigernden Lösungen und die spezialisierte anwaltliche Expertise verspricht zahlreiche Möglichkeiten.
Bucerius Center on the Legal Profession: Was haben Kanzleien, die Rechtsberatung anbieten, und Produktentwicklungen miteinander zu tun?
Heining: Ein Produkt ist definiert als Ergebnis eines Transformationsprozesses, in dem materielle und immaterielle Mittel und Leistungen (z.B. auch Arbeit, Kapital, Wissen) in einen Output umgewandelt werden. Dementsprechend ist jede Art von Dienstleistungen – und damit auch Rechtsberatung – im weiteren Sinne ein Produkt.
Noch vor einigen Jahren durfte man heftige und wortgewandte Abwehrreaktionen erwarten auf den als frevelhaft empfundenen Gedanken, Rechtsberatung könne überhaupt etwas so Profanes wie ein Produkt sein. Dann kam der 180°-Gesinnungswandel: Irgendwie war plötzlich alles ein Produkt, von Arbeitsrecht im Allgemeinen bis hin zur unbedeutendsten Studie im Speziellen.
Insgesamt ein großer mentaler Fortschritt, der aber deutlich macht, dass man da vielleicht doch etwas differenzierter herangehen muss. Insbesondere, wenn man dann in die tatsächliche Umsetzungsphase der Produktifizierung von Beratungsleistungen eintritt. Wir bei CMS haben dazu aus diesem Grund unsere eigene definitorische Eingrenzung vorgenommen.
Bucerius Center on the Legal Profession: Wie freunden sich Partner und Mitarbeiter mit der Digitalisierung an – unterstellt, dass Kollege Computer ständig mehr übernehmen will?
Heining: Ich würde sagen, dass das Lager derjenigen, die in der Digitalen Transformation mehr Chancen als Risiken für die Rechtsberatung sehen, mittlerweile eher die Mehrheit stellt. In jedem Fall gibt es einen "Sense of Urgency" in der Branche, denn alle haben irgendwie begriffen, dass sich unser Markt ändern wird. Völlig egal, ob man das jetzt persönlich befürwortet oder nicht.
Faktisch treibt wohl aber nicht der technologische Wandel an sich die Veränderung, sondern eher wirtschaftliche Erwägungen. In der Vergangenheit war zudem zu beobachten, dass der Rechtsberatungsbedarf praktisch immer analog zum technologischen Fortschritt gewachsen ist. Auch haben die großen Kanzleien meist relativ zügig neue Technologien adaptiert und in ihre Beratungstätigkeit integriert.
Und genau hier liegen auch die zukünftigen Chancen: In der intelligenten Kombination von technologischen, effizienzsteigernden Lösungen und spezialisierter anwaltlicher Expertise. Der Mensch erhält damit perspektivisch die Möglichkeit, sich noch stärker auf die besonders anspruchsvollen, spannenden und herausfordernden Beratungsleistungen zu konzentrieren, die "Kollege Computer" selbst nach Einschätzung optimistischer KI-Spezialisten auch in absehbarer Zeit nicht erbringen kann. Rechtsberatung ist und bleibt demnach wohl zumindest teilweise auch weiterhin ein "People's Business".
Bucerius Center on the Legal Profession: Welche weiteren Ziele in Zeiten der Digitalisierung verfolgt CMS Hasche Sigle?
Heining: CMS nimmt für sich in Anspruch, Mandanten bei ihren strategischen Zukunftsthemen und den damit verbundenen komplexen Herausforderungen und Transformationsprozessen zu begleiten. Zudem wollen wir als Markt- und Innovationsführer auch selbst an der Spitze der Rechtsmarktentwicklung stehen.
Denn genauso wenig wie unsere Mandanten selbst, können und wollen wir uns Stillstand leisten. Dazu gehören für uns auch intensive Überlegungen, wie der Mehrwert der Beratung für Mandanten weiter gesteigert werden kann. Neue Ansätze für Arbeitsteilung, Produktion und Effizienzsteigerung sowie die Erbringung relevanter alternativer Services unter Einsatz technologischer Mittel sind selbstverständlich Teil dieser Überlegungen.
Aber auch jenseits aller Erwartungen an die Auswirkungen der Digitalisierung muss man wohl annehmen, dass die Zukunft des Rechtsmarkts ja nicht in 20 Jahren irgendwie vom Himmel fällt. Insoweit wird diese Zukunft bei CMS als größter Sozietät im deutschen Markt auch als Gestaltungsaufgabe gesehen und unser aktiver Beitrag zur Gestaltung des Rechtsmarktes als Chance zu konstruktiver Veränderung begriffen.
Tobias Heining ist Director of Business Development & Communications bei CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB und Referent der 6. Herbsttagung des Bucerius Center on the Legal Profession.