Das Zertifikatsprogramm zum Compliance Officer der Bucerius Executive Education ist 2019 erstmals erfolgreich durchgeführt worden. Das Bucerius Center on the Legal Profession führte ein Gespräch mit Carolin Püschel, LL.B. (Alumna Bucerius Law School und wissenschaftliche Mitarbeiterin) und RA Dr. Michael H. Hagemann, die beide das 10-tägige Zertifikatsprogramm erfolgreich absolviert haben und einen Einblick in die Compliance-Welt geben.
Meine Stelle im Bereich Compliance …
Hagemann: … habe ich durch ein Stellenangebot in einem mittelständischen Telekommunikationsunternehmen gefunden, das vor einigen Jahren durch ein börsennotiertes Unternehmen übernommen wurde. Es war eine bewusste Entscheidung im Bereich Compliance als Unternehmensjurist zu arbeiten. Den Bedarf dafür habe ich bei einer „Big Four“-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich Forensic erkannt. Dort konnte ich erste Erfahrungen bei „Internal Investigations“ in verschiedenen Unternehmen und Branchen im In- und Ausland mit wechselnden Teams sammeln. Seitdem hat sich „Compliance“ immer stärker professionalisiert. Sie ist weit mehr als „nur“ die Einhaltung von Gesetzen und internen Richtlinien. Compliance ist eine Führungs- und Organisationsaufgabe.
Püschel: … habe ich über die Stellenausschreibung einer auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht sowie auf Compliance spezialisierten Kanzlei gefunden. Hier konnte ich einen ersten Eindruck von der Vielfältigkeit der für Unternehmen relevanten Fragestellungen und Herausforderungen im Bereich Compliance gewinnen. Schnell war klar: Der Begriff „Compliance“ muss dynamisch und interdisziplinär verstanden werden und erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Organisation – getreu dem Motto „Wer rastet, der rostet.“ Es verwundert daher nicht, dass viele Unternehmen und Kanzleien inzwischen ganz gezielt nach speziell im Bereich Compliance geschultem Personal suchen – meiner Meinung nach eine sehr positive Entwicklung sowohl für das Berufsbild des/der Compliance Verantwortlichen als auch für die Bedeutung und Wertschätzung der Compliance in den Unternehmen.
Die Arbeit im Bereich Compliance …
Hagemann: ... nehme ich als gewinnbringend und abwechslungsreich wahr. Als bereichernd empfinde ich in der täglichen Compliance-Arbeit insbesondere mit Menschen aus verschiedenen Disziplinen und Kulturen zusammenzuarbeiten und dabei auch immer wieder die eigene Perspektive zu hinterfragen. Compliance ist eine Haltung. Es gibt meines Erachtens keinen größeren Erkenntnisgewinn als aus Präsenzschulungen, in denen man einen direkten „Draht“ zu den Mitarbeiter*innen aufbaut und dabei direkt wertvolles Feedback aus den verschiedenen Unternehmenseinheiten für die erfolgreiche Arbeit erhält.
Püschel: … ist fachlich und menschlich herausfordernd und zum Teil hochpolitisch, wie zurzeit etwa im Zusammenhang mit der Diskussion über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts oder über die Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns zu sehen. Compliance-Verantwortliche kommen in ihrem Unternehmen nicht nur mit einem, sondern mit vielen Rechts- und anderen Fachgebieten in Kontakt. Darüber hinaus wird ihnen oftmals auch die Kommunikation, Koordination oder Durchführung von Personalentwicklungs- und Managementmaßnahmen übertragen. Das Aufgabenspektrum einer Position im Bereich Compliance umfasst daher mehr als „nur“ „Rechtsabteilung PLUS“; Compliance ist vielmehr ein facettenreicher „hands-on-Job“.
Compliance bedeutet für mich in meinem Berufsalltag …
Hagemann: … vor allem Kommunikation und Organisation: Der Austausch und die Abstimmung mit den maßgeblichen unternehmensinternen Stakeholdern und an erster Stelle der Schutz des Unternehmens sowie der Geschäftsleitung vor straf- und ordnungsrechtlichen Risiken sowie vor zivilrechtlicher Haftung. Es ist notwendig, Compliance-Risiken durch organisatorische Maßnahmen systematisch anzugehen und zu managen.
Püschel: … neben der Vorbereitung von und der Mitwirkung bei Compliance-Maßnahmen auch den Überblick darüber zu behalten, welche Themen und Entwicklungen für die Praxis aktuell besonders relevant sind. Dies erfordert standardmäßig die Durchsicht der unternehmens- und gesellschaftspolitisch compliance-relevanten Publikationen und Verbandsseiten. Außerdem suche ich regelmäßig nach möglichst praxistauglichen Arbeitshilfen sowie aktuellen Gesetzentwicklungen und arbeite diese für unser Team und unsere Mandant*innen in Form von Kurznachrichten oder Praxisreports auf.
Bei meiner Arbeit hilft/helfen mir …
Hagemann: … eine fundierte Aus- und Fortbildung und der fachliche Erfahrungsaustausch mit Kolleg*innen innerhalb des Unternehmens, aus anderen Organisationen, Kanzleien, Berufsverbänden und Hochschulen. Insbesondere im Compliance-Bereich gilt das Leitbild des lebenslangen Lernens, um im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung neue Compliance-Themen und Entwicklungen zu antizipieren.
Püschel: … zum einen – recht banal – das Internet. Denn neben der Möglichkeit, auf elektronisch verfügbare Datenbanken zugreifen zu können, ist das Internet insbesondere in grenzüberschreitenden Sachverhalten auch für eine zeitnahe und zielgerichtete Kommunikation mit in- und ausländischen Geschäftspartner*innen, Kolleg*innen und Ermittlungsbehörden entscheidend. Darüber hinaus sind persönliche Gespräche und ein gutes Netzwerk mit in- und externen Kolleg*innen extrem wichtig – denn Compliance lebt von dem Austausch über aktuelle Fragestellungen und Entwicklungen.
Die Zukunft der Compliance …
Hagemann: … sollten Compliance-Verantwortliche aktiv mitgestalten, wenn es z.B. darum geht Standards, insbesondere für verbandsinterne Untersuchungen oder für erforderliche Compliance-Maßnahmen, zu erarbeiten. Diese Fragen sind aktuell durch den veröffentlichten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität aufgeworfen. Dieser hat u.a. das Ziel, Compliance-Maßnahmen zu fördern. Die Bedeutung von Compliance wird damit in Zukunft weiter zunehmen.
Püschel: … wird – gemessen an den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und der heutigen Informationsgesellschaft – vermutlich weiterhin in der Verrechtlichung und Standardisierung der Compliance liegen. Es bleibt dabei zu hoffen, dass der hiermit verbundene Organisationsaufwand für Unternehmen nicht nur durch „ein gutes Gefühl“ kompensiert wird, sondern dass aus strengeren Vorschriften und härteren Sanktionen auch messbare Vorteile für redliche Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes folgen; wie etwa ein fairerer Wettbewerb, eine höhere Umweltverträglichkeit unternehmerischen Handelns und eine angemessene Entlastungsmöglichkeit, falls es trotz aller Bemühungen doch einmal zu einem Fall von Non-Compliance gekommen ist.
Compliance-Verantwortlichen empfehle ich, …
Hagemann: … sich innerhalb und außerhalb der eigenen Organisation gut zu vernetzen. Dazu dienen insbesondere entsprechende Fachveranstaltungen (Konferenzen, Seminare, Zertifikatslehrgänge), die hervorragende Möglichkeiten zum Networking bieten.
Püschel: … für einen schnellen und verlässlichen Überblick über die Grundlagen und Besonderheiten der Compliance die Absolvierung eines Ausbildungslehrgangs. Daneben ist das Abonnement eines Compliance-Newsletters und die Mitgliedschaft in mindestens einem der größeren Compliance-Verbände ratsam.
Der Ausbildungslehrgang Bucerius Compliance Officer (BCO) …
Hagemann: … ist ein anspruchsvolles Programm und eine echte Bereicherung für Compliance-Verantwortliche, mit praktischen Übungen, Leistungsnachweisen und einer Case Study am Ende des Lehrgangs. Ein Highlight des BCO sind die praxiserfahrenen Dozenten: Rechtsanwälte aus Großkanzleien, Unternehmensjuristen und renommierte Hochschullehrer, die die rechtlichen Fallstricke und Herausforderungen für Unternehmen kennen. Sehr gut war zudem der Praxisvortrag eines Chief Compliance Officers.
Püschel: … hat zudem Hamburg wieder auf die Karte gepackt und damit ein Alleinstellungsmerkmal unter den derzeit auf dem Markt angebotenen Compliance-Officer-Ausbildungsprogrammen. Denn neben den interessanten Lerneinheiten und hilfreichen Unterlagen bietet der mehrwöchige Zertifikatskurs auch ein attraktives, gemeinsames Rahmenprogramm in der – so sagt man – schönsten Stadt der Welt und kann somit den Grundstein für erste Kontakte zu externen Compliance-Kolleg*innen legen.