Wie kam er dazu, dass Sie am CTLS unterrichtet haben?
Die Einladung kam von Professor Mariano Mota Prado von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Toronto, die für die Koordination des Lehrangebots am CTLS zuständig war. Ich kannte Frau Prado von einer Gastprofessur an der Universität Toronto, wo ich vor einigen Jahren eine Vorlesung zum Thema „Recht und ökonomische Entwicklung“ gehalten hatte. Frau Prado ist ebenfalls in diesem Wissenschaftsgebiet tätig.
Sie haben einen Kurs zur ökonomischen Analyse des Vertrags- und Deliktrechts angeboten. Warum haben Sie ausgerechnet dieses Thema gewählt?
Die Wahl des Themas ergab sich einerseits aus meiner langjährigen Forschungsorientierung, der ökonomischen Analyse des Zivilrechts. Andererseits war es auch eine neue Aufgabe und Herausforderung, eine Studierendengruppe zu unterrichten, die sich aus so unterschiedlichen Rechtskulturen wie diese zusammensetzte. Ich hatte Studierende aus den kontinentaleuropäischen civil law Ländern, deren Zivilrecht stark von Kodifikationen geprägt ist. Die meisten der etwa 60 Studierenden kamen aber aus common law Ländern, in denen Kodifikationen eine geringere Rolle spielen und Entscheidungen oberster Gerichte das juristische Denken stärker bestimmen als in Kontinentaleuropa.
Der Kurs war deshalb rechtsvergleichend angelegt, somit wurden auch Fallmaterial und unterschiedliche Rechtsregeln aus England, den USA, Italien Frankreich und Deutschland mit den Studierenden diskutiert.
Aus ökonomischer Perspektive erscheinen Rechtsregeln ja oft als Instrumente, um die Teleologie des Rechts, d.h. vernünftige rechtspolitische Ziele zu verwirklichen. Dabei treten allerdings oft Wertungswidersprüche und Zielkonflikte auf. Dies erklärt einerseits, warum trotz ganz unterschiedlicher Argumentationsmuster und dogmatischer Konstruktionen oft die Konfliktlösungen gleichartig sind. Oft sind aber andererseits unterschiedliche Lösungen im Vertrags- und Deliktsrecht auch Ausdruck solcher Wertungswidersprüche.
Welche Unterschiede beobachten Sie in der juristischen Arbeitsweise von Studierenden aus einem common law system, im Vergleich zu Studierenden aus einem civil law system?
In Kontinentaleuropa spielt die Rechtsökonomie zwar in Lehre und Forschung eine gewisse Rolle, weniger aber in der Kommentarliteratur und so gut wie gar nicht in der Rechtsprechung. Das ist in Kanada, den USA und Israel anders. Die Studierenden aus diesen Ländern konnten Fälle präsentieren, in denen der oberste Gerichtshof explizit auf ökonomische Literatur und Kriterien zurückgegriffen hat, etwa zur präziseren Bestimmung des Fahrlässigkeitsbegriffs, zur Begrenzung der Haftung für reine Vermögensschäden oder der Haftungsregel bei Vertragsbruch (breach of contract). Die Studierenden aus den kontinentaleuropäischen Ländern haben dagegen oft klarere systematische Vorstellungen über wichtige Rechtsbegriffe. Die Differenzmethode zur Berechnung eines Schadens kannten zum Beispiel fast alle kontinentaleuropäischen Studierenden und konnten damit umgehen, während die aus den common law Ländern Listen mit Schadensposten aufführten, die ihrer Meinung nach zum Schadensersatz gehören.
Unterschiede gibt es auch im Vertragsrecht. So scheint das deutsche Vertragsrecht insgesamt fürsorglicher zu sein als das englische oder amerikanische. Die Rechtsfigur „culpa in contrahendo“ wurde aus Deutschland in mehr als 60 Staaten exportiert, war aber unter den angelsächsischen Studierenden weitgehend unbekannt. Vertragsrechtliche Ansprüche aus einer Verletzung von „good faith“ wird in manchen Ländern wie England explizit abgelehnt, in anderen wie den USA hat diese Rechtsfigur keine Tradition. Es gibt darüber viel rechtsvergleichende Literatur. Einige Rechtswissenschaftler gelangen zu dem Schluss, dass bei allen unterschiedlichen dogmatischen und begrifflichen Ausgangspunkten im Vertragsrecht oder Deliktsrecht keine großen Unterschiede im Ergebnis zwischen den Ländern erkennbar seien. Im Kurs hatte ich diesen Eindruck nicht immer. Wir diskutierten zum Beispiel einen Fall, in dem der BGH gestützt auf Treu und Glauben ein Konkurrenzverbot in einen Vertrag einfügte. Mehrere Studierende aus den common law Ländern sagten mir, das sei in ihrem Heimatland sehr unwahrscheinlich. Das könnten und sollten die Parteien selbst bewerkstelligen, wenn sie den Vertrag aufsetzen. Das hat seine Vorteile aber auch Kosten. Angelsächsische Verträge sind umfangreicher, länger und vollständiger als deutsche Verträge, verursachen aber auch leicht höhere Kosten der Vertragsgestaltung.
Es gibt zudem wesentliche Unterschiede in der juristischen Ausbildung. In Deutschland und einigen anderen Ländern besteht diese zum erheblichen Teil darin, sich die Routinen anzueignen, um einen Rechtsfall zu lösen, ähnlich wie ein Gericht. Eine fortgeschrittene Rechtsstudentin kann für einen komplizierten Rechtsfall nach wenigen Stunden einen gut begründeten Entscheidungsvorschlag unterbreiten. Das findet man in den common law Ländern eher selten, weil die Ausbildung darauf weniger fokussiert ist.
Warum ist das Unterrichten an internationalen Bildungseinrichtungen eine Bereicherung für Sie?
Der Aufenthalt war in der Tat sowohl für mich persönlich als auch akademisch eine große Bereicherung. Ich habe zwar schon oft im Ausland, einschließlich den USA, unterrichtet, und auch in Hamburg internationale Gruppen von Studierenden in einem internationalen Masterprogramm betreut. Ich hatte aber nie vorher eine so heterogene Gruppe mit so viel unterschiedlichem Wissenshintergrund. Die Studierenden waren zudem sehr diskussionsfreudig.
Hinzu kam, dass wir jede Woche einen auswärtigen Gast für eine zusätzliche Vorlesung zu Besuch hatten, mit dem unser Kollegium anschließend zum Dinner ging. Das war spannend und fand oft in einer vibrierenden Atmosphäre statt. Ich möchte das nicht missen und kann es jedem Kollegen und jeder Kollegin nur empfehlen. Zudem ist es schön, ein paar Monate in London zu wohnen, einer unübertroffenen Metropole.