Exzellentes Promovieren: Struktur · Begleitung · Selbstbestimmung

Seit Anfang des Jahres unterstützt das Promotionszentrum die gut 200 Promovierenden der Bucerius Law School. Wir haben eine Doktorandin an ihrem Schaffensplatz besucht, der zugleich ihr Arbeitsbereich ist. Bei Lydia Rautenberg haben wir nachgefragt, wie sich das Programm bemerkbar macht. Von institutioneller Seite wollten wir wissen, was es optimiert.

Forschung & Fakultät |

Eine riesige Bücherwand erstreckt sich auf der einen Seite des Büros im ersten Stock der Bucerius Law School. Davor sitzt Lydia Rautenberg. Sie tippt etwas in ihren Computer, nachdem sie aufmerksam Gesetzesvorlagen studiert hat. Die junge Frau in Turnschuhen, Rock und Blousonjacke promoviert und arbeitet seit Herbst 2014 an der Hochschule.


Tätigkeit am Lehrstuhl

Mit Beginn ihrer Doktorandenzeit ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Commerzbank Stiftungslehrstuhl Grundlagen des Rechts angestellt. „Ich promoviere zum Allgemeinen Bestimmtheitsgebot und untersuche insbesondere die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So zum Beispiel allgemeine Floskeln im Kopftuchgesetz wie ‚gegen die guten Sitten verstoßen‘. Was genau ist damit gemeint?“ Das hinterfragt die 26-jährige Absolventin der Bucerius Law School in ihrer Doktorarbeit. „Mein Thema überschneidet sich mit meinem Tätigkeitsfeld, was gut ist. Genauso wie die Abwechslung, die mein Job bringt. Denn ich unterrichte auch, Grundrechte und Staatsorganisationsrecht. Nur für mich an meiner Arbeit zu sitzen, wäre nichts für mich. Ich brauche den Kontakt zu anderen Menschen.“ Hilfreich ist für sie insbesondere der zu anderen Doktorandinnen und Doktoranden.


Rückgrat der Reform

Einen Austausch untereinander fördert die Bucerius Law School nun verstärkt. Seit Anfang des Jahres ist die neue Reform zum Promotionswesen in Kraft getreten und mit ihr das Promotionszentrum. Es ist das institutionelle Rückgrat der Reform. Zusammen mit seinem Programm optimiert es die vertrauensvolle Begleitung durch die Professorinnen und Professoren der Hamburger Juristenhochschule. Das Zentrum organisiert, begleitet intensiver als bisher, ist Ansprechpartner für allgemeine Fragen, hält die Fäden zusammen, obwacht die Qualität der Arbeiten. Doktorandinnen und Doktoranden gibt das neue Angebot Halt und Orientierung, es schafft Veranstaltungsangebote, die für sie förderlich sind, vernetzt untereinander. Und, es war lange fällig, gesteht Professor Dr. Christian Bumke, der das Zentrum leitet und Chef sowie Doktorvater von Lydia Rautenberg ist: „Das rechtswissenschaftliche Promotionswesen hat keinen guten Ruf. Es gibt viele Arbeiten mit geringem Ertrag für das Forschungsgespräch und teils bis zu 30 Promovenden pro betreuender Person.“


Vereinte Organisation

Das Promotionswesen an der Bucerius Law School zu modernisieren war äußerst wichtig, um den hohen Forschungsanspruch der Bucerius Law School zu unterstreichen. „Auch international“, findet Hochschul-Präsidentin Professor Dr. Dr. h.c. mult. Katharina Boele-Woelki: „Unsere Fakultät ist im Vergleich zu anderen klein, aber wir haben viele Doktorandinnen und Doktoranden. Wenn wir alles vereint organisieren, machen wir Promovieren effektiver und strukturierter. Der Austausch wird auch zu einer höheren Qualität der Dissertationen beitragen.“ Viele Plagiatsfälle sind bundesweit durch die Medien gegangen, ergänzt ihr Kollege Christian Bumke: „Wir wollen gefälschte Dissertationen in der Rechtswissenschaft unterbinden, ein Zeichen nach außen setzen.“


Gesprächsplattform

Über 200 Doktorandinnen und Doktoranden promovieren aktuell an der Bucerius Law School, intern 158, also solche mit Arbeitsplatz oder Arbeitsvertrag an einem der Lehrstühle wie Lydia Rautenberg, extern sind es 82 Personen. Über ein zugangsbeschränktes Intranet, dem zentralen Instrument des Promotionszentrums, kommen alle nun untereinander zwischen den Rechtsgebieten und Lehrstühlen ins Gespräch. „Endlich haben wir ihre Daten an einer Stelle gebündelt“, erklärt Katharina Boele-Woelki, „Fragen wie ‚wer ist wer, macht was bei wem und seit wann‘, können wir jetzt beantworten. Das ist wichtig für uns als Hochschule und für die Promovierenden selbst.“


Austausch in Gruppen

Mit Foto, Name, Arbeitstitel präsentieren sich die Doktorandinnen und Doktoranden und können sich über eine Schlagwortsuche zu Gruppen miteinander vernetzen. „Auch wenn die Bereiche verschieden sind, so werden oftmals dieselben Fragen gestellt und die zentrale Forschungsfrage verbindet“, erklärt Katharina Boele-Woelki. „Deshalb ist es sinnvoll, gemeinsam vorzugehen, über die Plattform und persönlich. Teilweise haben sich Doktorandinnen und Doktoranden schon gefunden.“ Lydia Rautenberg bestätigt das: „Zweimal habe ich bereits Hilfe darüber bekommen. Die Doktorandenplattform ist eine gute Sache.“

Ziel ist die interne Vernetzung und die Aktivierung der Promovierenden. So geht aus ihrer Mitte zum Beispiel ein Brown-Bag-Lunch-Meeting hervor: Im monatlichen Abstand kommen die Doktorandinnen und Doktoranden zusammen, zwei von ihnen stellen ihre Projekte vor und diskutieren anschließend darüber.


Betreuungsvereinbarung

Nicht nur die Kommunikation hat sich mit der neuen Reform an der Bucerius Law School verbessert, auch die Begleitung während der Promotion. Dr. Jo Beatrix Aschenbrenner hat in der Entstehungsphase des Projekts Christian Bumke unterstützt und erklärt eine weitere Neuregelung: „Zu Beginn der Promotion steht jetzt die sogenannte Betreuungszusage. In diesem Einseiter wird festgehalten, dass die Arbeit betreut wird und dass über die gegenseitigen Erwartungen gesprochen wurde. Die Beteiligten können darüber hinaus eine Betreuungsvereinbarung schließen. Darin wird notiert, was genau beide Seiten erwarten. Auch zusätzliche Professoren oder Experten zum Thema können als Betreuungsteam aufgeführt werden. Vorher geschah das nur indirekt.“


Wissensvorsprung durch Workshop

„Wir ‚alten‘ Doktorandinnen und Doktoranden haben mehr oder weniger einen Modus gefunden mit unserem Doktorvater oder unserer Doktormutter“, sagt Lydia Rautenberg. Für sie sind die Regeln des neuen Promotionszentrums freiwillig wie die Veranstaltungen selber auch. Für alle, die jetzt anfangen zu promovieren, ist die Reform bindend. Voraussetzung für die Zulassung ist der neue obligatorische Grundlagenworkshop. Im halbjährlichen Rhythmus wird der Intensivkurs zum Promovieren angeboten. „Er liefert rechtswissenschaftliche Methoden und Antworten auf viele Fragen. Zum Beispiel wie finde ich ein Thema, wie schneide ich es zu, dass es nicht zu groß oder zu klein wird?“, sagt Jo Beatrix Aschenbrenner. Die Teilnehmer werden zu Beginn noch mal vertieft mit den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis und den Anforderungen an das Promotionsvorhaben vertraut gemacht sowie über Ansprechpartner, Angebote am Zentrum und das Netzwerk informiert. „Der Workshop nimmt viel Erfahrung vorweg, die Doktoranden andernfalls selber erarbeiten müssten“, sagt Christian Bumke. Von dieser organisatorischen Unterstützung abgesehen stärkt der Einführungsworkshop das Gemeinschaftsgefühl unter den Promovierenden. Als Einzelkämpfer wider Willen nimmt sich hinterher niemand mehr wahr.


Fakultative Kurse

Hauptaufgabe für Christian Bumke als Leiter des Promotionszentrums ist es, sich in Abstimmung mit dem Beirat zu überlegen, welche freiwilligen, fakultativen Workshops angeboten werden, in denen vor allem methodische Fragen thematisiert werden. „Die Probleme bzw. Themen, die übergreifend sind und alle interessieren, gibt das Praxisleben vor“, sagt er. „So laden wir beispielsweise zur Schreibwerkstatt ein. Im Sommer wird es zudem eine Veranstaltung ‚Recht und Gesellschaft‘ vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Professor Wolfgang Hoffmann-Riem geben und im Herbst einen Kurs zur Rechtvergleichung.“

Das Promotionszentrum ist zur Stelle, wenn es zwickt oder drückt, auch persönlich für jeden einzelnen. Doktorandinnen und Doktoranden können ein kostenloses und vertrauliches Coaching- und Beratungsangebot bei Elisabeth Strack oder Jo Beatrix Aschenbrenner nutzen: „Wir betreuen sie, wenn die Arbeit geplant wird, wichtige nächste Schritte anstehen, Fallstricke im Weg sind oder besprechen, wie beispielsweise mit einer Schreibblockade umgegangen werden kann.“

Für alle Doktorandinnen und Doktoranden sei das Promotionszentrum eine gute Basis zum Promovieren, resümiert Lydia Rautenberg, bevor sie sich wieder in ihre Gesetzeswerke vertieft.

Text

Anja Reinbothe-Occhipinti, freie Journalistin

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