Parteiverbotsverfahren sind selten und immer umstritten. Auch das zweite NPD-Verbotsverfahren wurde von Anfang an sowohl politisch als auch juristisch kontrovers beurteilt. Erst im Januar dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht, nach über drei Jahren Verfahrenslaufzeit, sein Urteil gefällt und entschieden, dass die NPD zu unbedeutend für ein Verbot ist.
Über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts diskutierten am 19. Oktober 2017 – unter der Leitung des früheren Spiegel-Journalisten Dr. Thomas Darnstädt – die ehemalige Präsidentin der Bucerius Law School und jetzige Richterin am Bundesverfassungsgericht Professorin Dr. Doris König, Renate Künast von den Grünen, Dr. Wolfgang Janisch von der Süddeutschen Zeitung und Professor Dr. Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität zu Berlin. Im mit gut 250 Zuschauerinnen und Zuschauern gut besetzten Auditorium der Bucerius Law School gab es reichlich Gesprächsbedarf.
Für Zündstoff sorgte der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts der NPD zwar Demokratiefeindlichkeit, (Neo-)Nazismus, Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus zu attestieren, sie gleichwohl aber nicht zu verbieten, weil sie keinerlei Chance auf Verwirklichung ihrer Ziele habe. König, die als Richterin am Verfahren beteiligt war, verwies auf die Zweischneidigkeit eines Parteiverbots, das deshalb immer nur ultima ratio sein dürfe. Dem pflichtete Künast bei, die auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinwies, der Parteiverbote von Kleinstparteien abgelehnt hatte. Waldhoff, der im Verfahren Prozessbevollmächtigter des antragstellenden Bundesrates gewesen war, war hiermit nicht einverstanden und hob hervor, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sich immer die Situation „vor Ort“ anschaue und deshalb das Verbot einer (neo-)nazistischen Partei in Deutschland im Ergebnis gebilligt hätte.
Die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer diskutierten auch über die durch das Urteil des Gerichts ausgelöste Novelle des Grundgesetzes. Diese sieht vor, dass verfassungswidrigen Parteien die staatliche Finanzierung entzogen werden kann, worüber im Einzelfall das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat. Während Künast kritisierte, dass das „Parteiverbot light“ sehr hastig ins Grundgesetz eingefügt worden sei, standen Janisch und Waldhoff nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Denn auch hier sei vom Bundesverfassungsgericht in einem aufwendigen Prüfverfahren festzustellen, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.
Nach über zwei Stunden intensiven juristischen und politischen Diskussionen wurde die Debatte in die Lobby des Auditoriums verlagert, wo der Abend bei Brezeln und Wein ausklang.