Gesundheitsversorgung unversicherter Menschen in Deutschland

Expert:innendiskussion im Studium generale

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Am 15. Januar diskutierten Petra Lotzkat, Staatsrätin der Sozialbehörde Hamburg, Ronald Kelm, Leiter des Gesundheitsmobils Hamburg und Prof. Dr. Jens Prütting im Studium generale der Bucerius Law School. Moderiert wurde die Veranstaltung von Till Jonas Meyer-Jark, Studierender des Jahrgangs 2023 und Mitglied der Augen auf Kiez! Hochschulgruppe.

Petra Lotzkat ist nach verschiedenen Stationen in der Verwaltung seit 2020 Staatsrätin der Sozialbehörde in Hamburg. Zu der Behörde gehören die Bereiche Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration, wodurch sie unter anderem auch für die gesundheitliche Versorgung von Obdachlosen in Hamburg zuständig ist. 

Ronald Kelm hat das Gesundheitsmobil Hamburg gegründet, das Nichtversicherten kostenlos Zugang zu medizinischen Behandlungen gewährt. Ehrenamtliche Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen stehen einmal pro Woche mit dem Gesundheitsmobil am Hauptbahnhof und versorgen besonders Obdachlose und Wohnungslose, aber auch andere Nichtversicherte.

Jens Prütting ist seit 2015 Juniorprofessor und seit 2021 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht Bucerius Law School. Er war Gründungspartner der auf Beratung von Leistungsbringern im Gesundheitswesen spezialisierten Kanzlei Prof. Dr. Prütting und Shirazi und gründete weitere Unternehmen im Bereich Gesundheit.

 

Wie fängt der Staat die Unversicherten auf?

Gesprochen wurde darüber, dass seit 2009 jede gemeldete Person krankenversichert sein muss und obdachlose Menschen deswegen häufig weiterhin durch das Raster fallen. Prütting erklärte, dass die Sozialämter die Kosten des Krankenhauses bei der Behandlung Obdachloser nur übernehmen, wenn es sich um einen gesetzlichen Notfall handelt. Problematisch ist dabei, dass viele Menschen mit langfristigen Krankheiten nicht erfasst werden.
Kelm ergänzte, dass viele Menschen mit Verletzungen zum Gesundheitsmobil kommen würden, weil sie von den Krankenhäusern entweder nicht oder nicht ausreichend behandelt worden sind. Die unzureichende Behandlung hängt auch damit zusammen, dass die Krankenhäuser die Kosten häufig nicht erstattet bekommen, weil die gesetzlichen Nachweispflichten für die Kostenerstattung zu hoch sind.
Eine weitere Schwierigkeit besteht laut Lotzkat darin, Menschen aus dem EU-Ausland rückzuversichern, die im EU-Ausland noch versichert sind: Sie können keine Leistungsansprüche bei deutschen Krankenkassen geltend machen, weil sie die Ansprüche in ihren Heimatländern geltend machen könnten.

 

Neue Gesetze und Kommunikation 

Es besteht Einigkeit, dass für eine Gesundheitsversorgung, die auch obdachlose Menschen erreichen soll, die Gesetzgebung angepasst werden muss. Dazu müssen Krankheiten, die nicht unter den Notfallbegriff fallen, vom Gesetz erfasst, die gesetzlichen Anforderungen an die Nachweise für die Kostenerstattung gesenkt und die Kostenfrage der Behandlungen muss auch für EU-Ausländer:innen geregelt werden. Außerdem wird von der Sozialbehörde eine Koordinierungsstelle eingerichtet, um die Kommunikation zwischen den Behörden untereinander und mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren zu verbessern.

Der Abend stieß auf großes Interesse und das Publikum hatte viele Fragen an die Gäste auf dem Podium. Beim anschließenden Empfang wurde noch rege weiter diskutiert. 

 

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Tom Boyer/ZSP

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