Antisemitismus fängt nicht erst bei Vernichtungsfantasien an
Sich im Alltag erwünscht fühlen. Etwas, was Prof. Dr. Julia Bernstein zufolge für Menschen jüdischen Hintergrunds immer noch keine Selbstverständlichkeit sei. Es gehe um das legitime Auffallen, darum anders sein zu dürfen. Eine jüdische Perspektive auf Antisemitismus fehle nach wie vor. Generell habe es zu lange gedauert das aktuelle Problem des Antisemitismus ernst zu nehmen. Aus deutscher Perspektive sei Antisemitismus vor allem eins, ein Monstervorwurf. Die Angst vor dem Vorwurf wiege sogar schwerer als die von dem Begriff beschriebene Angst selbst. Eine Angst, die ihren Ursprung in der Vergangenheit habe. Dabei fange Antisemitismus nicht erst bei Vernichtungsfantasien an, sondern mit Ignoranz und Unwissen. Das jede Thematisierung der realen Verhältnisse zu schnell als schwerwiegender Vorwurf verstanden würde, lasse all zu leicht vergessen, dass Verhältnisse kritisiert werden, die sich nie verändert haben. Es ginge darum, dass beim jahrelangen Reden über den Holocaust vergessen wurde, über die konkreten familiären Geschichten zu reden und somit eine Entkopplung derer zur Realität stattfand. Um dies zu ändern ginge es nicht darum aggressiv „den Antisemiten“ zu suchen, sondern Kleinigkeiten zu sehen, an diesen anzusetzen und sich in seinen Gegenüber einzufühlen. Was macht der „kleine“ Witz mit ihr oder ihm? Die ausschlaggebende Mehrheit seien die Schweigenden, die sich fragen sollten, warum jüdische Präsenz immer noch keine Normalität in Deutschland darstelle.
Ansichten werden von Eltern auf ihre Kinder übertragen
Burak Yilmaz erörterte die Frage, wie man es lernt Juden zu hassen. Seine Tätigkeit als Sozialarbeiter umfasst die Projektarbeit mit Jugendlichen, welche zu genau dieser Frage unter seiner Aufsicht Szenen entwickeln sollten. Aus diesen ergab sich, dass sich Ansichten über Stereotypen von Eltern auf Kinder übertragen. Deswegen frage sich Yilmaz mit den Jugendlichen, wo Antisemitismus in deren Leben stattfinde. Die Verleugnung dessen sei nämlich zu einfach. Es sei leicht zu sagen man habe damit nichts zu tun. Es sei leicht die Situation zu verharmlosen oder zu externalisieren. Früher, woanders, wer anders, Hauptsache nicht ich. Yilmaz‘ Appell: Das Gedankengut vor die eigene Haustür holen und sich damit auseinanderzusetzen.