Lasst uns scheitern – persönliche Erfahrungsberichte

Am 10.01.2021 berichteten interessante Persönlichkeiten aus der Hochschulgemeinde von ihren Erfahrungen und dem Umgang mit dem Scheitern

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Zum Auftakt der Veranstaltungswoche zum Thema „mentale Gesundheit“ haben sechs Mitglieder der Hochschulgemeinde, unter anderem Meinhard Weizmann und Prof. Hoffman-Riem, im Moot Court von ihren teils sehr persönlichen Erlebnissen berichtet. Im Anschluss an die Impulsvorträge gab es die Möglichkeit Fragen zu stellen. Ziel der Veranstaltung war es vor allem die Angst vor dem Scheitern abzubauen und neue Impulse für den Umgang mit dem Thema zu sammeln. Moderiert wurde die Veranstaltung von Charlotte Schindler.

 

Von der gescheiterten Habilitation zum Gruppenprojekt

Den Anfang machte Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem. Bereits im Studium interessierte er sich neben der klassischen Rechtsdogmatik auch für Seitenblicke, insbesondere im sozialwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich. Nach seinem Masterabschluss in Berkeley und einer mehrmonatigen Weltreise entschloss er sich 1970 eine Habilitationsschrift anzufertigen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch zunächst. Er sagt er hätte sich zu viel vorgenommen, zu viel gewollt. Er wollte ein neues Recht schaffen. Entstanden sind hingegen fünf handschriftlich angefertigte Ordner mit Vorarbeiten. 1974 waren diese bei weitem noch nicht bereit veröffentlicht zu werden. Und dennoch blickt er heute auf eine erfolgreiche berufliche Karriere zurück. Selbst die unveröffentlichten Vorarbeiten aus den 1970er Jahren fanden schließlich noch ihren Zugang zur Öffentlichkeit: Auf deren Grundlage entstand in Teamarbeit ein dreibändiges Werk zu den Grundlagen des Verwaltungsrechts.

 

Das Einzige, was ich manchmal gemacht habe war: Weiter

Als nächstes berichtete Florian Helwich, Social Media Manager und Content Creator der Bucerius Law School, von seinem Lebensweg, der ebenfalls nicht immer geradlinig verlief. Nach seinem Bachelor in Philosophie hat Helwich zunächst gekellnert. Durch eine glückliche Fügung bekam er dann die Möglichkeit im Medienbereich tätig zu werden. Auf diese Stelle folgten jedoch viele erfolglose Bewerbungen und ein längerer Aufenthalt in der Karibik. Auf eine Anstellung an der Musikhochschule Hannover folgten jedoch widererwarten 43 weitere erfolglose Bewerbungen, bis Helwich es schaffte endgültig in Hamburg Fuß zu fassen. Er sagt selbst über die Zeit, dass manchmal das Einzige, was er gemacht habe war: Weiter.

 

Manchmal hilft auch ein herrliches Butterbrot mit einem dicken Stück Käse

Meinhard Weizmann, Geschäftsführer der Bucerius Law School, trug ebenfalls eine Erfahrung mit dem Scheitern aus seinem beruflichen Umfeld bei. Das Thema war die Schließung der Zeitschrift „Gala“ in den Niederlanden, für die er zu dieser Zeit als Geschäftsführer tätig war. Besonders die soziale Komponente sei ihm nahgegangen. Er musste die Entlassungsgespräche mit den Mitarbeitenden führen. Aus dieser Situation habe er jedoch auch einiges mitnehmen können, insbesondere ehrlich zu sich selbst zu sein, die Dinge zu rationalisieren, demütig zu bleiben und Dinge zu finden, die einem guttun. Neben Gesprächen mit Freund*innen könne dies auch ein Waldspaziergang oder eben ein herrliches Butterbrot mit einem dicken Stück Käse sein.

 

Lasst die Furcht zu, aber macht es einfach trotzdem

Thies Hauck ist der Leiter der Hochschulentwicklung und des Green Offices an der Bucerius Law School. Sein Input zum Thema „Scheitern“ ist gerade unter den Studierenden kein unbekanntes Thema. Er erzählte von seiner Bewerbung um ein Stipendium. Im Zuge des Auswahlprozesses musste er an einem Auswahlwochenende teilnehmen, das nicht nach seinen Vorstellungen verlief. Dennoch habe er unterbewusst nicht daran gezweifelt, dass es trotzdem funktionieren würde. Es folgte jedoch eine Absage. Als er später für ein Stipendium der Studienstiftung vorgeschlagen wurde, war er sich nicht mehr sicher, ob er es überhaupt nochmal versuchen wolle. Die Angst vor einem erneuten Scheitern hat ihn daran gehindert. Er hat sich letztendlich dennoch dafür entschieden sich zu bewerben und das Stipendium erhalten. Deshalb rät er: Lasst die Furcht zu, aber macht es einfach trotzdem.

 

In dem Moment als ich über das Scheitern nachgedacht habe, hat das Scheitern angefangen

Leonie Gruffke hat das erlebt, wovor sich vermutlich viele Studierende fürchten: Sie musste ihr Studium an der Bucerius Law School abbrechen. Sie berichtet, dass sie immer, wenn sie etwas nicht auf Anhieb verstanden hatte, an sich zweifelte. Die Situation verschlechterte sich immer weiter, bis sie sich dazu entschloss ein Jahr zu wiederholen. Als auch das nicht den gewünschten Effekt brachte, sah sie keinen anderen Ausweg mehr als das Studium abzubrechen. 2020 ist sie dann zurück an die Law School gekommen, um ihr Studium doch noch abzuschließen. Nicht, weil sie ihre alten Erwartungen an sich selbst erfüllen wollte, sondern einfach aus dem Spaß am Fach.

 

Wie werde ich meinen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin los ohne zu kündigen?

Um sich ihre Dissertation zu finanzieren, arbeitete Julia Remy als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Großkanzlei. Dort begegnete sie auch dem Thema „Scheitern“. Sie hat früh gemerkt, dass die „klassischen juristischen Berufe“ ihr nicht liegen, habe jedoch auch nicht  die schlechteste Arbeit gemacht. Dennoch wurde ihr in einem Gespräch plötzlich klargemacht, dass sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin nicht mehr zur Kanzlei passe und sie sich vielleicht umorientieren sollte. Sie war zunächst fassungslos und suchte Rat bei ihrer besten Freundin. Doch trotz des Rückschlages hat sie sich später erneut in einer Kanzlei beworben und weitere 14 Monate als Anwältin gearbeitet, bevor sie endgültig entschied einen anderen Weg zu gehen und bei der Stadt Hamburg als stellvertretende Leiterin des Referats Europapolitik anfing.

 

Ein gelungener Abend mit anregendem Input

Alles in allem war der Abend ein voller Erfolg. Er hat insbesondere dazu beigetragen, das Thema „Scheitern“ zu enttabuisieren und Ängste abzubauen. Alle Teilnehmenden konnten sicherlich einige „Learnings“ der Vortragenden für ihre eigene Entwicklung mitnehmen.

Text

Helen Päßler

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