„Not taking no for an answer – außer in sexuellen Beziehungen“

Aktivistin Kristina Lunz zu Besuch in der Bucerius Law School

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Als Chefredakteur der BILD-Zeitung bekam Kai Diekmann täglich hunderte von Leserbriefen – und die meisten landeten wohl einfach ungelesen im Müll. Der Leserbrief aber, den Kristina Lunz an Kai Diekmann schrieb und in dem sie ihn auffordert, das halbnackte BILD-Girl aus der Zeitung zu verbannen, wurde der Auslöser einer bundesweiten Debatte über die Darstellung von Frauen in den deutschen Medien und sorgte schließlich für die Abschaffung des BILD-Girls. Vor allem jedoch sollte sich dieser Brief als Grundstein für Lunz´ Karriere als Aktivistin erweisen.

Vom Leserbrief zum Aktivismus

Darüber, welche Entscheidungen und Zufälle Lunz von diesem Moment an dazu führten, für den Feminismus auf die Straße zu gehen oder sich öffentlich gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus stark zu machen, erzählte sie auf Einladung von Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem und des Studium generale im Interview mit Johanna Schleyer am 14.10.2020 an der Bucerius Law School im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Was ist wichtig“.

Ihre Leidenschaft für Kampagnen, Demonstrationen und Protestaktionen entdeckte Lunz eher zufällig: Sie wuchs eigentlich sehr behütet in einem konservativen Dorf mit 80 Einwohner*innen in Franken auf und studierte zunächst Psychologie. „Mind changing“ war für Lunz die Teilnahme an einer Summer School für politische Psychologie in Stanford. In London und Oxford las sie anschließend während ihrer zwei Master feministische Texte, lernte andere Aktivist*innen kennen und begann sich zu fragen, ob sie durch die Arbeit in Institutionen wie der UN oder des Auswärtigen Amtes, auf die sie ihr Studium eigentlich vorbereitet hätte, ihre Visionen von einer gerechteren Zukunft wirklich erreichen könnte.


Feministische Außenpolitik stellt Mensch in den Vordergrund

Also gründete sie das Centre for Feminist Foreign Policy, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Außenpolitik ganzheitlicher zu denken: Statt sich wie bislang an staatlicher Sicherheit als höchstem Ziel der nationalen Außenpolitik zu orientieren, solle im Zentrum einer modernen und feministischen Außenpolitik zum Beispiel die von der Zivilgesellschaft formulierten Bedürfnisse menschlicher Sicherheit stehen. Verteidigungsministerien müssten Friedensministerien Platz machen und Steuergelder lieber in UN-Friedensmissionen statt in Waffen investiert werden.

Aktivistin – Beraterin – Rechtsreformerin

Um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, berät Lunz Unternehmen und Ministerien oder arbeitet mit anderen Aktivist*innen zusammen, um Protestaktionen zu organisieren. Die von ihr unterstützen Initiativen sind Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wie die #Ausnahmslos-Kampagne nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 oder bringen neuen Wind in altbekannte Probleme wie ihre Teilnahme bei der UN-Kampagne „Nein-heißt-nein“, die schließlich in einer Reform des deutschen Sexualstrafrechts endete.

Und auch sonst scheint Lunz´ aktivistische Arbeit Früchte zu tragen: Am Tag nach dem Gespräch in der Bucerius Law School wird sie auf einem Podium der NATO sitzen und Jens Stoltenberg ihre Ansätze zur feministischen Außenpolitik nahebringen – ein ziemlich weiter Weg für jemanden, die als Erste in ihrer Familie überhaupt an eine Universität ging. Was ist dafür wichtig? Lunz persönliches Erfolgsrezept fasst sie auf diese Frage hin sehr prägnant wie folgt zusammen: „Not taking no for an answer – außer in sexuellen Beziehungen.“

Text

Charlotte Born-Fallois

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