Ordnung ins Verfahrung bringen?

Herausforderungen der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts -

Forschung & Fakultät |

Am 7. Oktober 2015 luden die Hamburger Justizbehörde und das „Center for Transnational IP, Media and Technology Law and Policy der Bucerius Law School zu einem Diskussionsabend ein, an dem sie die Lokalkammer Hamburg und die finale, 18. Fassung der Verfahrensordnung vorstellten.

Durch den Abend führte Prof. Dr. Dana Beldiman, Leiterin des Center for Transnational IP, Media and Technology Law and Policy der Bucerius Law School. Sie begrüßte die rund 80 Anwesenden aus Patent- und Rechtsanwaltschaft, Unternehmen, Forschung und Richterschaft von Flensburg bis München. Dabei hob sie hervor, welch große Ehre es für Hamburg sei, einen Teil des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) zu beherbergen. Das EPG trage dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu vergrößern. Jetzt läge es an den Akteuren des EPG, Vertrauen zu schaffen und Akzeptanz aufzubauen.

Katja Günther präsentierte Lokalkammer

Die Staatsrätin der Justizbehörde, Katja Günther, präsentierte die Lokalkammer Hamburg. Sie hob hervor, wie die Lokalkammer des EPG den Rechtsstandort Hamburg bereichere – sie ergänze „die hiesige Gerichtsbarkeit, die internationalen und nationalen Schiedsgerichte und Mediationsstellen und den Internationalen Seegerichtshof ideal“. Dabei bekräftigte die Staatsrätin, dass „die Rechtsprechung an der Lokalkammer in englischer Sprache durchgeführt“ werden wird. Ein Umstand, der nicht in jeder Lokal- und Regionalkammer des EPG selbstverständlich sein wird. Zudem gab Katja Günther einen Einblick in die aktuellen Baupläne und Räumlichkeiten der Hamburger Kammer, die im Ziviljustizgebäude ansässig sein wird.

Der finale Entwurf der Verfahrensordnung

Keyspeaker des Abends war Prof. Dr. Winfried Tilmann, Mitglied der EPG-Expertengruppe und Rechtsanwalt und Of Counsel bei Hogan Lovells. Da am Vorabend der Diskussion die letzten Änderungen des 18., finalen Entwurfs der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts beschlossen worden waren, konnte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern quasi brühwarm von dem neuesten Stand der Entwicklungen berichten.

In launigen Worten stellte er die Verfahrensordnung vor und sparte dabei auch nicht mit Kritik. Insbesondere die siebenjährige Übergangszeit, bei der Kläger entweder das EPG, ein nationales Gericht nach alter Zuständigkeit oder gegebenenfalls beide anrufen könnten, bezeichnete er als „Joch der Unklarheit“ und prophezeite, damit werde die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Er riet eindrücklich dazu, sich von Beginn an für das EPG zu entscheiden, denn damit hätte man eine „scharfe Waffe“ für sein Recht.

Nach dieser Vorlage diskutierte Winfried Tilmann mit Beate Schmidt, der Präsidentin des Bundespatentgerichts, Dr. Volkmar Henke, Rechtsanwalt und Partner bei Eisenführ Speiser, und Michaela Opfer, Projektleiterin der Lokalkammer Hamburg, auf dem Podium einzelne Aspekte der Verfahrensordnung.

Englisch als Verfahrenssprache und das Opt-Out

Zunächst wurde noch einmal die Frage aufgeworfen, ob und in welchen Teilen des Verfahrens neben Deutsch auch Englisch als Verfahrenssprache in Deutschland zugelassen werde. Dabei machte Winfried Tilmann deutlich, dass das BMJV eine Erklärung für Englisch abgeben werde. Im konkreten Fall könne der Kläger die Sprache wählen, die für das gesamte Verfahren verbindlich sei. Ausnahmemöglichkeiten bestünden nur für die mündliche Verhandlung und das Urteil. An dieser Stelle scherzte Winfried Tilmann: „Die Hamburger Richter sprechen ja angeblich sehr gut Englisch. Die Düsseldorfer sind auch zweisprachig – sie sprechen Deutsch und Rheinisch.“

Heiß diskutierten die Expertinnen und Experten auch, wie viele Unternehmen das Opt-out vom EPG erklären würden. Der Ansicht von Winfried Tilmann als Fürsprecher des EPG, dass sich dafür nur wenige Unternehmen entscheiden werden, trat Volkmar Henke kritisch entgegen. Winfried Tilmann: „Sinnvoll ist ein Opt-out nur, wenn man ein sehr wertvolles Patent hat, sich aber unsicher ist, ob es Bestand hat.“ Habe man hingegen bereits ein BGH-geprüftes Patent, sollte man das EPG nutzen.

Noch offen: die Zuteilung der Richter

Einig war sich die Runde darin, dass der Erfolg des Gerichts am Ende von der Qualität der Rechtsprechung, d. h. insbesondere von den Richterinnen und Richtern abhänge. Wie deren Zuordnung zum EPG aussehen soll, steht allerdings noch nicht fest. Dabei soll ab November/Dezember 2015 mit den Ausschreibungen begonnen werden. Winfried Tilmann erklärte, dass die Kammern und Richter anfangs wohl nicht zu 100 Prozent ausgelastet sein würden. Aber bedeutet dies, dass ein Richter teilweise bei seinem nationalen Gericht bleibe und teilweise an das EPG abgeordnet werde? Oder werde er in Vollzeit für das EPG arbeiten, aber an unterschiedlichen Standorten? Beate Schmidt betonte, dass das in Art. 101 Abs. 1 des Grundgesetzes vorgesehene Prinzip des gesetzlichen Richters, das sie bei dem Erstellen der Geschäftsverteilungspläne beachten müsse, im Widerspruch zu der Flexibilität stehe, die das EPG fordere. Projektleiterin Michaela Opfer: „Im deutschen Recht ist eine Teilzeitzuweisung an mehrere Gerichte bislang nicht vorgesehen. Dies müsste die Bundesrepublik in ihr Ratifizierungsgesetz aufnehmen.“ 

Verfahrensordnung als Vorbild für die ZPO

Im Ergebnis beantwortete die Diskussion viele Fragen, warf aber wohl ebenso viele neue Fragen auf. Dennoch waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer voll des Lobes für die Verfahrensordnung. Schmidt äußerte gar die Befürchtung, dass „die Verfahrensordnung zu gut sei, sodass weniger Verfahren zum Bundespatentgericht gelangen würden.“ Auch Michaela Opfer zeigte sich beeindruckt. Der Berichterstatter werde zum Verfahrensmanager. Er gewährleiste, dass die strengen Formvorschriften und Fristen eingehalten werden und das Verfahren so zügig abgeschlossen wird. „Ein Vorbild für die deutsche Zivilprozessordnung.“

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