Physik des Fußballs: Vortrag mit Prof. Metin Tolan

Warum nicht immer der Bessere gewinnt.

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Prof. Dr. Metin Tolan, Präsident der Universität Göttingen und Physiker mit Schwerpunkt experimentelle Physik, war am 29. Mai zu Gast an der Bucerius Law School. Im Rahmen einer Abendveranstaltung des Zentrum für Studium generale und Persönlichkeitsentwicklung (ZSP) hielt er einen unterhaltsamen und zugleich informativen Vortrag über die physikalischen Prinzipien des Fußballspiels. Dabei erläuterte er, was Fußball mit Radioaktivität gemeinsam hat und warum in diesem Sport nicht immer die bessere Mannschaft siegt.

 

Wie gerecht ist Fußball?

Zu Beginn stellte Prof. Tolan die provokante Frage: „Wie gerecht ist Fußball?“ Eine Sportart sei umso gerechter, je häufiger die objektiv bessere Mannschaft gewinne, erläuterte er. Mithilfe zahlreicher Beispiele aus der Fußballgeschichte, insbesondere von Europameisterschaften, zeigte er die Mechanismen, die den Ausgang eines Spiels beeinflussen, auf.

Mathematisch lässt sich beweisen, dass Fußball der ungerechteste Sport der Welt ist. Dies liegt unter anderem daran, dass im Durchschnitt nur etwa drei Tore pro Spiel fallen und diese Tore unabhängig voneinander geschossen werden. Auch ein Ballbesitz führt nicht zwangsläufig zum nächsten Tor. Diese Unvorhersehbarkeit macht den Fußball spannend, jedoch auch weniger gerecht.

 

Physikalische Aspekte des Spiels

Prof. Tolan beleuchtete auch die physikalischen Faktoren, die das Spiel beeinflussen, beispielsweise den Einfluss von Gravitation, Luftwiderstand, Wind und Drall auf den Flug des Fußballs. Besonders interessant war die Erklärung des Magnus-Effekts, der für die Kurven im Flugverlauf des Balls sorgt. Zudem betonte er die hohe Fehleranfälligkeit aufgrund der kurzen Kontaktzeit des Balls mit dem Fuß: Bereits eine Variation des Abschusswinkels um 1° führt bei hohen Distanzen zu einer Streuung von 50 cm.

Ein weiteres Highlight des Vortrags war die Darstellung der Torverteilung in der Bundesliga, die einer Poisson-Verteilung ähnelt. Diese statistische Modellierung wird in der Physik genutzt, um den Zerfall von Atomkernen zu beschreiben. Tolan zeigte auf, dass Tore ähnlich wie radioaktiver Zerfall zufällig emittiert werden und erklärte, dass Wettbüros ihre Quoten auf dieser Grundlage berechnen.

Glück und Können im Fußball

Erfolg im Fußball ist eine Mischung aus Glück und Können. Prof. Tolan betonte, dass auch die Glückskomponente mathematisch ermittelbar sei. Ein faszinierendes Gedankenspiel war die Frage, wie die Bundesliga-Tabelle aussehen würde, wenn alle Mannschaften objektiv gleich stark wären.

 

Gespräch mit dem Publikum

Nach dem Vortrag moderierte Dr. Lisa Gerlach, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Privatrecht III – Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht der Bucerius Law School, das Gespräch zwischen dem Publikum und Prof. Tolan. Besonders interessierten sich die Zuhörer für die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland die kommende Heim-EM gewinnt und warum die Nationalmannschaft nach dem Erfolg 2014 bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 weniger erfolgreich war. Viel Zuversicht für die kommende EM konnte das Publikum aus den Antworten leider nicht mitnehmen, jedoch interessante Einsichten wie, dass beim Elfmeterschießen der stärkste Spieler zuletzt schießen sollte und man versuchen sollte, in eine der oberen Ecken zu zielen.

 

Ausklang bei Brezeln und Wein

Bei Brezeln und Wein wurde anschließend noch lange weiterdiskutiert. Die Teilnehmenden werden den Fußball durch die gewonnenen Erkenntnisse mit Sicherheit aus einer neuen Perspektive betrachten. Dieser Abend zeigte einmal mehr, wie spannend und zugänglich Wissenschaft sein kann und wie sie uns hilft, Alltägliches und Liebgewonnenes, wie den Fußball, besser zu verstehen.

 

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ZSP

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