Am 3. Juli 2024 sprachen Georg Mascolo (Journalist und Publizist), Jean Peters (Senior Reporter bei Correctiv), Nina Schoenian (Geschäftsführende Vorständin von Greenpeace e.V.) und David Werdermann (Rechtsanwalt und Projektkoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte), unter Moderation von Fee Weinberger (Bucerius Law School, Jahrgang 2020), über die Bedeutung von investigativem Journalismus, Bedrohungen der Pressefreiheit und wie man ihnen begegnen kann.
Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) im Rahmen der GFF-Hochschultour "75 Jahre Grundgesetz" und dem Studium generale durchgeführt. Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, eröffnete die Diskussion mit einem Verweis auf den neu gegründeten Media Forward-Fund, der die freie Presse und Medienvielfalt im deutschsprachigen Raum fördern soll.
Die Correctiv-Recherche
Der prominenteste Fall von investigativem Journalismus in der jüngsten Zeit war die Aufdeckung des Geheimtreffens von Rechtsextremen und Neonazis (unter ihnen CDU- und AfD-Politiker:innen) in der Nähe von Potsdam durch das Recherchenetzwerk Correctiv.
Peters sieht in dem Erfolg der Recherchen eine Art Wendepunkt für die Menschen und den öffentlichen Diskurs. Gleichzeitig sah sich Peters nach Veröffentlichung auch mit Morddrohungen aus rechten Kreisen konfrontiert. Mehrere Teilnehmende des Geheimtreffens gingen außerdem rechtlich gegen den Artikel vor, Gerichtsentscheidungen dazu wurden medial ausgeschlachtet. Investigativjournalismus kann also mit hohen persönlichen Kosten verbunden sein.
Die Rolle des Investigativjournalismus
Mascolo erklärt, der Begriff Investigativjournalismus werde heutzutage meist für Recherchen, die geheim gehaltene Sachverhalte zutage fördern, verwendet. Sie ermöglichen der Gesellschaft, ihre Kontrollfunktion gegenüber Menschen in Machtpositionen wahrzunehmen.
Für NGOs wie Greenpeace sei investigative Arbeit besonders von Bedeutung, um Umweltschäden aufzudecken, erläutert Schoenian. Dabei nehmen sie die Funktion von Zeug:innen vor Ort ein und informieren über das dort gesehene („bearing wittness“). Greenpeace hat sich aber auch bei den Correctiv-Recherchen beteiligt, da die Folgen des Klimawandels vornehmlich durch Rechte geleugnet werden.
Bedrohungen für Investigativjournalismus
Besonders kleinere “Störenfried”-Medien sind öfter mit Gerichtsverfahren aufgrund der von ihnen publizierten Inhalten konfrontiert. Als Beispiel hierfür nennt Werdermann einen Fall um einen Redakteur des Radio Dreyeckland, dem die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen wurde. Zum Schutz der Pressefreiheit brauche es in solchen Fällen eine engagierte Anwaltschaft und mutige Justiz.
Weitere Risiken, denen Journalist:innen ausgesetzt sind, sieht er in der Überwachung (beispielsweise das Abhören des Pressetelefons der letzten Generation), bei manchen speziellen Tatbeständen wie der verbotetnen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen nach § 353d StGB, die Journalist:innen durch ihre Arbeit erfüllen können, und sogenannten SLAPS (strategic lawsuits against public participation), also abschreckenden zivilrechtlichen Verfahren gegen Journalist:innen.
Für NGOs ist zusätzlich die Entziehung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt eine mögliche schwerwiegende Konsequenz. Zwar ist Greenpeace momentan nicht auf staatliche Mittel angewiesen, erklärt Schoenian, und organisiert Aktionen grundsätzlich im Einklang mit dem Gesetz. Die Unvorhersehbarkeit der Entziehung könne aber die politische Arbeit anderer NGOs be- oder sogar verhindern.
Wie steht es also um die Pressefreiheit?
Die Pressefreiheit ist laut Mascolo aktuell angegriffen. Allerdings werde sie durch den Rechtsstaat meist ausreichend geschützt. Gleichzeitig sei die Pressefreiheit ein Recht, um das gestritten werden muss, besonders wenn der Staat selbst Partei dieses Streits ist. Mascolo wünscht sich daher mehr Mut von Journalist:innen, die Pressefreiheit auch wirklich zu nutzen. Um die Pressefreiheit auszuleben und zu schützen müsse auch manchmal der Konflikt gesucht werden.
Juristisch könne Pressefreiheit dadurch geschützt und gefördert werden, dass sich Dritte als sog. amicus curiae mit Stellungnahmen an das entscheidende Gericht wenden, um es bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Auch Verfassungsbeschwerden gegen Überwachungsgesetze oder Einzelmaßnahmen spielen eine große Rolle, so Werdermann.
Aktuell wirft die Freilassung von Julian Assange neue Fragen für den Zustand der Pressefreiheit auf. Sein (wenn auch sehr eingeschränktes) Schuldeingeständnis vor Gericht könnte einen gefährlichen Präzedenzfall für die Einschränkung journalistischer Arbeit darstellen.
Was ist guter Journalismus?
Guter Journalismus muss laut Mascolo nicht immer neutral sein. Allerdings sollte die Trennung zwischen nachrichtlichen und kommentierenden Berichten wieder stärker betont werden. Eine möglichst objektive, berichtende Informationsbasis sei unerlässlich, damit sich Menschen ihre eigenen Meinungen bilden können. Gehe es um die Demokratie, müsse die Presse jedoch uneingeschränkt für deren Erhalt eintreten. Dem stimmt Peters zu und ergänzt, dass es immer eine gewisse Distanz zum Staat und zu Machthabenden benötige, sodass Investigativjournalismus unabhängig bleibt.
Für Journalismus heutzutage ist zu beachten, welche Veränderungen in der Informationsweitergabe das Internet verursacht hat. Das Aufkommen von Gegen- oder Alternativmedien wie beispielsweise NiUS, die sich von einer überprüfbaren Faktenbasis abwenden, ist dadurch besonders gefährlich für die Informationslage.
Fazit
Die Pressefreiheit ist vielseitig bedroht. Es ist die Verantwortung Aller (besonders aber von Journalist:innen und Jurist:innen), dieses für die Demokratie fundamentale Recht zu schützen. Als wichtiger Teil der Pressearbeit muss dabei sichergestellt werden, dass hochwertiger investigativer Journalismus weiterhin betrieben werden kann.