Am 20. Januar 2021 fand die digitale Podiumsdiskussion "Recht und Sexualität - Sexarbeit in Zeiten der Pandemie" organisiert vom Deutschen Juristinnenbund Hamburg, der WoMen in Law-Hochschulgruppe und dem Studium generale statt. Dana-Sophia Valentiner, Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbund Hamburg führte die Podiumsteilnehmerinnen Dr. Anja Schmidt (Leiterin des DFG-Forschungsprojekts "Pornographie und sexuelle Selbstbestimmung", Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Susanne Bleier-Wilp (ehemalige Sexarbeiterin und politische Aktivistin, Pressesprecherin und Vorstandsmitglied vom "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" TAMPEP), RAin Britta Uhlmann (Rechtsanwältin bei Klemm & Partner in Hamburg) sowie Hanna und Lilli (Mitinitiatorinnen vom „Sexy Aufstand Reeperbahn“) durch eine spannende und aufschlussreiche Diskussion über den rechtlichen Umgang mit Sexarbeit und die Auswirkungen, welche die Corona-Pandemie auf die Sexwork-Branche hat.
Die Rechtslage zum Thema Sexarbeit in Deutschland
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Dr. Anja Schmidt die rechtlichen Grundlagen des Prostituiertenschutzgesetzes vor und betonte, dass dieses die freiwillige Prostitution ausdrücklich als Ausübung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Ausübung der Berufsfreiheit anerkennt. Nichtsdestotrotz geht es in diesem Gesetz aber auch um den Schutz vulnerabler Personengruppen, wobei die Regelungen im Einzelnen äußerst umstritten seien. Auch Hanna stimmte zu, dass in der Praxis nicht klar sei, ob nicht am Bedarf der betroffenen Personen vorbeireguliert werde und es tatsächlich nicht um Rechtsschutz vulnerabler Personen, sondern vielmehr um die Repression von Sexarbeit gehe.
Infektionsschutz oder Stigmatisierung und Repressalien?
Die Frage, ob diese Regulierungen vielmehr Ausdruck der Stigmatisierung und Vorbehalte gegen Sexarbeit seien, stehe auch hinter den Maßnahmen, welche im Zuge der Corona-Pandemie angeordnet wurden und „ob hier im Zuge der Pandemie wieder die Repression durch die Hintertür hineinkommt“. Denn die Hamburger Corona-Eindämmungsverordnung traf mit ihren Einschränkungen wie der nächtlichen Sperrstunde und dem Verbot körpernaher Dienstleistungen auch die Sexwork-Branche besonders hart.
Nur 46 Tage Arbeit im Jahr 2020
Zwar wurden im Sommer in Hamburg die Verbote in Bezug auf andere körpernahe Dienstleistungen großzügig gelockert, sodass diese unter Hygieneauflagen längst wieder durchgeführt werden konnten, und auch die Prostitutionsstätten arbeiteten mit ärztlicher Unterstützung ein Hygienekonzept aus, welches unter anderem eine durchgängige Maskenpflicht, die Registrierung persönlicher Daten, dauerhaftes Lüften und wöchentliche Corona-Tests vorsah, dass Prostitutionsstätten und die Sexarbeit aber schließlich die einzige Ausnahme darstellten und weiterhin verboten blieben, empfand Hanna als „irgendwann einfach nur noch ungerecht“. Nur 46 Tage im Jahr arbeiten zu können, war eine schwere finanzielle Belastung. Auch Britta Uhlmann sah mit dem Hygienekonzept jedenfalls kein höheres Infektionsrisiko als bei anderen körpernahen Dienstleistungen. Es ist fraglich, ob dies bloß ein weiter Anlass sei, die Stigmatisierung und Diskriminierung von in der Prostitution tätigen Menschen zu verstärken.
Die Initiative „Sexy Aufstand Reeperbahn“
Um auf diese Ungleichbehandlung aufmerksam zu machen und gegen sie vorzugehen, gründeten Hanna, Lilli und weitere Sexarbeiter:innen den „Sexy Aufstand Reeperbahn“. Sie organisierten Demonstrationen, Kunstaktionen und einen Tag der offenen Tür, an welchem sie medienwirksam die Öffentlichkeit und Politik auf diese Lage aufmerksam machten. Als auch dies erfolglos blieb, war eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg schließlich die einzige Möglichkeit. Stellvertretend für die Sexwork-Branche erhoben schließlich einige Sexarbeiter:innen und Bordellbetreibende Klage im Eilverfahren. Erst auf diesen Druck wurde die Corona-Verordnung im September schließlich doch noch geändert.
Corona verschärft die Situation der Sexarbeiter*innen
Auch Susanne Bleier-Wilp berichtete aus ihrer Erfahrung als Vorstandsmitglied vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen, dass die Pandemie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu einer prekären Lage für Sexarbeiter:innen geführt habe. Gerade, die Situation aufgrund der Pandemie erheblich verschärft, sodass der Berufsverband internationale Nothilfefonds aufgesetzt und Spenden generiert hat, um auch die schwächsten Mitglieder zu unterstützen.
Am Ende der Veranstaltung wurden schließlich eine Vielzahl von Fragen aus dem Publikum diskutiert und beantwortet.