Nach einem kurzen Grußwort durch RA und Fachanwalt für Strafrecht Jes Meyer-Lohkamp, der gemeinsam mit Professor Dr. Karsten Gaede die Veranstaltung moderierte, eröffnete RA Dr. Johan Schneider (Heuking Kühne Lüer Woitek) die Tagung mit seinem Vortrag zum Rückgriff auf das Adhäsionsverfahren, in dem er Potentiale und Widerstände dieser Verfahrensform auslotete. Er legte zunächst die Voraussetzungen und die Wirkungen des Adhäsionsverfahrens umfassend dar. Neben anderen Vorteilen betonte er das prozessökonomische Potential des Verfahrens, das eine doppelte Beweisaufnahme vermeidet, Zivilgerichte entlastet und Gerichtskosten einspart. Ebenso schilderte er, dass die Strafgerichte häufig unter Hinweis auf eine fehlende Eignung von einer Entscheidung absehen würden, um nicht über vermeintlich schwierige zivilrechtliche Fragen entscheiden zu müssen. Schneider schlug letztlich vor, neue Anreize zu setzen, um das Adhäsionsverfahren aus seinem Schattendasein zu befreien. Dies könne nach seiner Auffassung beispielsweise durch eine Anpassung der gesetzlichen Regelung zur Kostenerstattung geschehen.
Im Anschluss an den Eröffnungsvortrag bezog die Hamburger Oberstaatsanwältin Cornelia Gädigk zu der provokanten These „Akteneinsicht ist Ausforschung!“ Stellung und beleuchtete Chancen und Risiken des Akteneinsichtsrechts des Verletzten. Insbesondere legte sie dar, inwiefern sich das Akteneinsichtsrecht auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft auswirkt. Sie veranschaulichte ihre Ausführungen mit Beispielen aus ihrer praktischen Erfahrung. Gerade in Korruptionsverfahren sei die Unterscheidung wichtig, ob ein Akteneinsichtsgesuch wirklich dem Schutz der Verletzten dienen solle oder ob die Staatsanwaltschaft eher zur Gewinnung von Beweismitteln instrumentalisiert werde, die auf andere Weise nicht erlangt werden könnten. Hier dürften auch die Rechte des Beschuldigten nicht vernachlässigt werden. In ihrem Fazit hob Gädigk die hohe Bedeutung des Akteneinsichtsrechts vor, betonte aber zugleich, dass es Grenzen unterliege. Es müsse eine Abwägung zwischen der Unschuldsvermutung und den Rechten des Beschuldigten und dem Opferschutz stattfinden. Nur solange die widerstreitenden Interessen eine entsprechende Würdigung erfahren, stelle das Recht auf Akteneinsicht keine Ausforschung dar.
Nach der Kaffeepause äußerte sich RA Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler aus Berlin ausführlich zur aktuellen Bedeutung der Nebenklage. Er umspannte dabei ein weites Feld. Zunächst erläuterte er, dass die Nebenklage im Wirtschaftsstrafverfahren für viele Staatsanwaltschaften zwar noch Neuland sei, über § 395 Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) jedoch auch hier vermehrt bedeutsam werde. Selbst bei juristischen Personen soll die Nebenklage bei Vermögensdelikten insbesondere dann eröffnet sein, wenn die Tat für den Verletzten schwerwiegende wirtschaftliche oder prozessuale Folgen habe. Im Anschluss daran bezog er insbesondere anhand seiner Erfahrung als Nebenklägervertreter im NSU-Verfahren ausführlich zur Notwendigkeit der Nebenklage Stellung. Der Zweck der Nebenklage könnte nicht allein darauf beschränkt werden, dem Verletzten eine Stimme zu geben. Vielmehr sei es nach seinen Erfahrungen für die Mandantschaft von großer Bedeutung, von einem vom Staat unabhängigen Organ der Rechtspflege vertreten zu werden. Insbesondere in Fällen in denen eine diskriminierende Praxis der Staatsanwaltschaft zu befürchten oder festzustellen sei, vermöge nur die Nebenklagevertretung das polizeiliche Handeln kritisch zu hinterfragen. Nur so lasse sich der Rechtsfrieden auch für die Verletzten widerherstellen. Insbesondere zu diesem Teil der Tagung entspann sich eine lebhafte Debatte, in der beide Themenschwerpunkte gleichermaßen einschließlich der Frage nach einer möglichen zahlenmäßigen Beschränkung der Nebenklagevertreter aufgegriffen wurden.
In ihrem Schlussvortrag beurteilte RA Dr. Gina Greeve (MGR-Rechtsanwälte), Frankfurt am Main, die Stellung, die der Geschädigte nach den Regeln der neuen strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erhalten habe. Zunächst stellte sie die neuen Regelungen zur Einziehung insbesondere gemäß den §§ 73 ff. Strafgesetzbuch (StGB) vor. An dieser Stelle betonte sie neben der Konkretisierung des Begriffs des „Erlangten“ die Ausweitung der neuen Einziehung und die eigenständige Verjährungsregelung. Im Anschluss ging sie auf die Ermächtigung der Staatsanwaltschaft zur Stellung des Insolvenzantrags gem. § 111i Abs. 2 StPO ein. Umfassend erläuterte Greeve sodann die Neugestaltung der Opferentschädigung nach den §§ 459 h ff. StPO, die ggf. ein erhebliches insolvenzrechtliches Verständnis verlangen. Anhand der zahlreichen Rückmeldungen aus dem Publikum wurde deutlich, wie viele Zukunftsfragen die im Wesentlichen begrüßte Reform noch in sich trägt.
Bei Brezeln und Wein wurden viele Diskussionen der Tagung nochmals bei einem Get Together fortgesetzt.