Am Abend des 2. Dezember 2015 hatten sich viele Besucher im Moot Court der Bucerius Law School versammelt, um gemeinsam mit Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung und Autor des Buches „Die digitale Bildungsrevolution“, über die Zukunft des Lernens nachzudenken.
Dräger begann seinen Vortrag mit der Beobachtung, dass ein reger Zuwachs auf digitalen Plattformen aller Art herrsche. Die Nachfrage sei gigantisch und auch das Angebot werde immer breiter. Als klarer Befürworter des Fortschritts digitaler Einflüsse ist für Dräger Digitalisierung eindeutig „mehr Lösung als Problem“. Dem globalen Bildungshunger sei man digital deutlich besser gewachsen als analog.
Dräger erklärte exemplarisch an realen Entwicklungen, wie Digitalisierung einen positiven Einfluss auf die Bildung nehmen kann. Ein Beispiel davon spielt sich an der selektivsten Universität der Welt, in Stanford, ab: Der dort lehrende Professor Thrun machte seine Vorlesung weltweit online verfügbar. Schlussendlich hatten sich 161.000 Zuhörende angemeldet, von denen 23.000 die Vorlesung erfolgreich abschlossen. Das Interessante daran: Die 412 besten Absolventen kamen nicht aus Stanford. Man könne durch digitale Bildung also unentdecktes, massives Potenzial nutzen, so Dräger.
Auch sei es durch bestimmte Software möglich, den Erfolg eines Studieninteressenten mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen und ihm somit von vornherein die Wahl des richtigen Studienfachs zu ermöglichen.
In der anschließenden Diskussion, souverän moderiert von Manuel Hartung, Ressortleiter Chancen der ZEIT, stellte sich Dräger den vielen kritischen Meinungen und Fragen des Plenums: Wo bleibt die Persönlichkeitsentwicklung, wo das lehrreiche Scheitern, wenn Erfolg und Misserfolg vorhergesagt werden können? Wie entwickeln sich bei der Online-Education soziale Kompetenzen? Wie verändert sich die Lehrer-Schüler Beziehung? Und wie steht es um den Datenschutz?
Bei allem Verständnis für die Einwände machte Dräger deutlich, dass in seinen Augen eine „digitale Revolution“ unvermeidbar, erstrebenswert und vorteilhaft ist. Man dürfe die Thematik nicht aus der Sicht eines europäischen Bildungsbürgers betrachten. Auch in Europa werde man an die Grenzen des durch Bildung Möglichen kommen. Für diesen Fall müsse ein politisch-rechtlicher Rahmen geschaffen werden, die Technik müsse in den Dienst der Pädagogik gestellt und Datensouveränität hergestellt werden.