Streit um die Öffentlich-Rechtlichen – Die Digitalisierung des Rundfunkauftrags

In der letzten Zeit nimmt die Auseinandersetzung zwischen dem öffentlichen-rechtlichen Rundfunk und weiteren Akteuren der Medienlandschaft, allen voran den Verlagen, deutlich an Schärfe zu.

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Auch international ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck, wie sich etwa an der Schweizer „No-Billag“-Initiative ablesen lässt. Die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, jedenfalls in seiner derzeitigen Gestalt, wird zum Teil sogar von bürgerlichen Kreisen in Frage gestellt. Dies ist jedoch keine neue Entwicklung.

Die Auseinandersetzung hat eine wirtschaftliche Seite, bei der es um Verteilungskämpfe und Marktanteile geht. Exemplarisch steht dafür das Verfahren um die Tagesschau-App des NDR, die von Verlegern stark bekämpft wurde. Die andere Seite betrifft die verfassungsrechtliche Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als staatsfreier Medienakteur. Basierend auf den sog. Rundfunkurteilen des BVerfG hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Grundversorgungsauftrag wahrzunehmen, der auch in der Besonderheit des Mediums Fernsehen begründet ist: nur dieses hat „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestionskraft“ (BVerfGE 90, 60 [90]). Aus dieser Besonderheit des Mediums ergibt sich sowohl ein Regulierungsbedarf (von binnenpluraler Vielfaltssicherung bis zur Konzentrationskontrolle) als auch ein spezifischer Funktionsauftrag: der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zur Vielfalt verpflichtet und muss in dieser die wesentlichen gesellschaftlich vertretenen Meinungen widerspiegeln, um den Prozess der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu gewährleisten. Dass er das prinzipiell auch im Internet darf, ist wohl unstreitig, weil von seiner Entwicklungsgarantie umfasst. Nur trifft er eben im Internet auf eine gänzlich andere Medienlandschaft, die scheinbar nur wenig Gemeinsamkeiten mit der klassischen Zweiteilung von Presse und Fernsehen, ihren jeweiligen (gesellschaftlichen) Aufträgen und unterschiedlichen Regulierungsdichten hat. Zwar scheint der Fernsehkonsum insgesamt stabil, das individuelle Nutzerverhalten hat sich aber stark verändert. Es wird zusätzlich mehr online konsumiert, jüngere Zielgruppen haben sich vom linearen Fernsehen (fast) ganz verabschiedet. Die Plattformen der zusätzlichen Inhalte funktionieren aber nach ganz anderen Maßstäben. Dort werden Inhalte nach Präfenzen ausgespielt, die sich durch eine Vielzahl von gesammelten Nutzerdaten ergeben, Filterblasen können entstehen und eine Regulierung findet kaum statt.

Welchen Auftrag hat oder sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter diesen veränderten Bedingungen haben? Lässt sich der klassische Auftrag ausreichend weiterentwickeln oder muss er vielleicht neu formuliert werden? Beginnend mit dem plastischen Beispiel des Verfahrens um die Tagesschau-App (BGH GRUR 2015, 1228) wollen wir uns den dogmatischen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags unter den heutigen und - soweit dies abzusehen ist - kommenden Bedingungen einer zunehmend entgrenzten Medienlandschaft und einem deutlich individualisiertem Medienkonsum widmen.

Zunächst wird uns Dr. Michael Kühn, Justiziar des Norddeutschen Rundfunks (NDR), aus seiner Erfahrung mit dem Verfahren um die Tagesschau-App berichten und seine Sicht auf den derzeitigen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erläutern. Als zweiten Redner freuen wir uns auf Prof. Dr. Jörn Lüdemann, Professor für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Medienrecht, Rechtstheorie und Rechtsökonomik an der Universität Rostock. Er wird uns die dogmatischen Grundlagen des Rundfunkauftrags noch einmal in Erinnerung rufen und seine Sicht auf mögliche, vielleicht sogar notwendige Weiterentwicklungen darstellen. Im Anschluss wird Prof. Dr. Michael Fehling (Bucerius Law School, Lehrstuhl für Öffentliches Recht III und Academic Member des IP Centers) die Diskussion unter Beteiligung des Publikums moderieren.

Die Veranstaltung wird auf Deutsch stattfinden. Im Anschluss werden wir die aufgeworfenen Fragen wieder bei Brezeln und Wein vertiefen.

Auf Wunsch stellen wir Ihnen gerne eine Teilnahmebescheinigung nach § 15 FAO aus.

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