Zur Lage der Nation

Udo Di Fabio über die Freiheit des Individuums und damit verbundene gesellschaftliche Herausforderungen

Wer bei Lissabon nicht nur an die Stadt denkt, sondern automatisch auch an die EU, der ist wohl entweder PolitikwissenschaftlerIn oder JuristIn. Und kaum ein Name ist mit dem „Lissabon-Urteil“ zur europäischen Integration so verknüpft wie der von Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, der im Verfahren um den Lissabon-Vertrag Berichterstatter war und das Urteil damit maßgeblich prägte. Am 15.01.2020 eröffnete er auf Einladung des RCDS der Bucerius Law School die erste Studium generale Veranstaltung des neuen Jahrzehnts mit einem Vortrag zum Thema „Individuelle Freiheit und politische Identität“.

Nach einem Grußwort durch Prof. Dr. Götz Wiese, Honorarprofessor an der Bucerius Law School, begann Di Fabio seinen Vortrag damit zu erläutern, wie unserer Gesellschaft durch das Denken vom Individuum her geprägt sei. Mit Sorge beobachte er jedoch, dass die im Grundgesetzt verankerten intermediären Gewalten wie Ehe und Familie, Vereine, Kirchen und Gewerkschaften immer mehr aus dem Blick gerieten.

Das Vertrauen in die Institutionen schwinde in der Bevölkerung zusehends, nicht nur von rechts, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft, sodass dem Staat die Lösung großer gesellschaftlicher Probleme wie dem Klimawandel nicht mehr zugetraut werde. Deswegen stellte Di Fabio die These in den Raum, dass die westliche Zentriertheit auf das Individuum zu einer Handlungssperre geworden sein könne, da staatliche Ressourcen nicht mehr für Gemeinschaftszwecke eingesetzt würden.

Di Fabio betonte deswegen, dass jede persönliche Freiheit an Ordnung gebunden sei und die Verteidigung dieser Ordnung notwendig sei, um denjenigen zuvorzukommen, die die Handlungsunfähigkeit der Staaten zum Anlass nehmen würden, um die demokratische Grundordnung zu untergraben.

Nach diesem gesellschaftskritischen Vortrag moderierte der Bucerius Law School Student Pascal Landahl die anschließende Diskussion. Neben künstlichen Intelligenzen, automatisiertem Fahren und Organspende waren auch andere tagesaktuelle Themen Gegenstand der Debatte. Anschließend verlagerte sich das Gespräch bei Brezeln und Wein in das Foyer des Auditoriums.

Charlotte von Fallois

 

 

Autor*in

Charlotte von Fallois

NEWSLETTER

Der "Newsletter der Bucerius Law School" informiert ca. zweimonatlich über Neuigkeiten aus der Bucerius Law School und Termine.

Hamburg