Über die Kunst, alle nach seiner Pfeife tanzen zu lassen

Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus zu Gast beim CFO Circle mit Ernst & Young (EY)

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Für ein paar Wochen im Sommer ist es wieder soweit, dann besteht Deutschland aus Millionen BundestrainerInnen und WM-SchiedsrichterInnen. Passend zur Fußball-Weltmeisterschaft hielt Bibiana Steinhaus, Deutschlands erste Schiedsrichterin, die in der 1. Bundesliga Männerspiele pfeift, einen Vortrag beim CFO Circle am 12. Juni 2018. Dabei konnte so mancher fußballbegeisterte Mandant vom EY den Blickwinkel wechseln und das Spiel und die erforderlichen Entscheidungen einmal aus den Augen einer professionellen Schiedsrichterin erleben. Anhand kurzer Videosequenzen der von ihr gepfiffenen Spiele illustrierte Steinhaus, worauf es bei guten Entscheidungen ankommt: Fachkenntnis des Regelwerks, schnelles und vorausschauendes Denken, damit man in der besten Position ist, um einen Spielzug zu beurteilen, und die Fähigkeit, einmal getroffene Entscheidungen selbstbewusst zu vertreten, sie aber genauso gut wieder zurücknehmen zu können, wenn man eines Besseren belehrt wird.

Dabei spielt in Steinhaus Job besonders die Einführung des Videoassistenten eine Rolle, der ihr bei Toren, Feldverweisen, Strafstößen und Spielerwechslungen die Möglichkeit gibt, die zugrunde liegende Spielsituation noch einmal anzusehen und zu re-evaluieren. Statt sich von der neuen Technik in ihrer Autorität gefährdet zu sehen, nimmt Steinhaus den Videoassistenten eher als Chance wahr, die richtige Entscheidung zu treffen. Denn in manchen Situationen sorgt schon ein um 90 Grad veränderte Blickwinkel dafür, dass eine scheinbar eindeutige Situation sich plötzlich ganz anders darstellt. Während die Fans im Stadion das Video schon längst auf ihren Smartphones haben, sei die Schiedsrichterin/der Schiedsrichter auf dem Platz dann häufig die letzte Person, die das Problem mitkriegt, sagt Steinhaus. Der Videoassistent sorgt also dafür, dass sie eine gefestigtere Entscheidung treffen kann, auch wenn letzten Endes doch die Schiedsrichterin/der Schiedsrichter das letzte Wort hat.

Doch wie wird man eigentlich Schiedsrichterin in der 1. Bundesliga? Neben hartem Training und körperlichen Tests ist es vor allem ihre Beharrlichkeit, die Steinhaus in diesen Job gebracht hat. Zehn Jahre lang hat sie in der 2. Liga gepfiffen, nebenher eine Trainerausbildung gemacht und weiter in ihrem „echten“ Job bei der Polizei gearbeitet. Um ihr Ziel zu erreichen, machte sie die Aufnahme in die 1. Liga ein Jahr lang zur obersten Priorität und richtete jeder ihrer Entscheidungen daran aus, ob sie ihrem Ziel förderlich war oder nicht. Schließlich wurde sie als erste weibliche Schiedsrichterin in die 1. Bundesliga aufgenommen. Einer Frauenquote oder angepassten Aufnahmekriterien steht sie allerdings kritisch gegenüber: Die Akzeptanz gegenüber ihr als Schiedsrichterin sei einfach größer, wenn sie dieselben Leistungen erbringen müsse wie ihre männlichen Kollegen. Und schließlich spielten die Bayern auch nicht langsamer, nur weil sie eine Frau sei.

In einem Fußballspiel trifft Steinhaus ca. 300 Entscheidungen. Alle müssen sie innerhalb von Sekunden gefällt werden, jede muss sie überzeugend vertreten und manche treffen sie gänzlich unerwartet. Das ist nicht nur für Entscheidungen auf dem Fußballplatz der Fall, sondern gilt auch häufig im Geschäftsleben ganz ähnlich. Dank Steinhaus‘ Tipps können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des CFO Circles deswegen nicht nur beim nächsten WM-Spiel mit fachkundigen Einschätzungen über umstrittene Schiedsrichterentscheidung glänzen, sondern vielleicht sogar die ein oder andere unternehmerische Entscheidung zügiger und leichter fällen.

Beim anschließenden Flying Dinner wurde jedenfalls schon einmal eifrig über die WM gefachsimpelt – wer weiß, vielleicht ist Deutschland nur einen Videobeweis vom fünften Stern entfernt?

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Charlotte von Fallois, Studentin

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