Von der Bibliotheksbaracke zum digitalen Büchertempel

Interview mit Carsten Franke zu seinem 20. Dienstjubiläum an der Bucerius Law School

Eine Baracke als Behelfsbibliothek – das war der erste Eindruck, den Carsten Franke von der Bucerius Law School hatte, als er vor 20 Jahren seine Arbeit an der Hochschule aufnahm. Warum für ihn die Redensart „Hic Rhodus, hic salta” damals wie heute Herausforderung und Ansporn zugleich ist, erzählt er im Interview.


Sie sind gelernter Bibliotheksassistent für den Mittleren Dienst und arbeiten an einer privaten Institution. Wie kam es dazu?

Ich habe meine Ausbildung in der Stadtbücherei Flensburg absolviert und relativ schnell herausgefunden, dass die Arbeit in einer öffentlichen Bücherei nichts für mich ist. Ein Praktikum in einem wissenschaftlichen Institut in Kiel hat mir gezeigt, dass die Bibliotheksarbeit auch eine andere Seite haben kann. Dort wehte, im positiven Sinn, ein ganz anderer Wind. Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen und Studierenden hat mir richtig gut gefallen und so bewarb ich mich an der Zentralen Hochschulbibliothek in Flensburg.

Ein befristeter Vertrag ließ mich nach zwei Jahren nach einem neuen Arbeitgeber suchen. Klar war, dass ich weiterhin in einer wissenschaftlichen Bibliothek tätig sein wollte, jedoch nicht zwangsläufig im Öffentlichen Dienst, da hier die berufliche Laufbahn eng abgesteckt ist. Und so kam ich recht spontan zur Bucerius Law School: Mein Vorstellungsgespräch war am 27. September, mein erster Arbeitstag bereits am 1. Oktober.


Ihr Arbeitsplatz war nicht immer der „gläserne Büchertempel”, als den wir die Bibliothek heute kennen. Können Sie aus der Anfangszeit berichten?

Die Bibliothek hat mal ganz klein angefangen: in einer Baracke am Standort des heutigen Auditoriums. Das Hochschulgebäude war damals noch gar nicht entkernt und teilweise noch voll mit Mobiliar der Botaniker.

Mit gerade einmal 10.000 Büchern sind wir nach einem Jahr in die nach umfangreichen Renovierungs- und Umbauarbeiten fertig gestellten Büroräume gezogen, die jetzt an den Moot-Court angrenzen. Jeder Millimeter Stellfläche wurde in den neuen Räumlichkeiten der Bibliothek genutzt, das Kollegium sowie der Bibliotheksbestand wurden weiter ausgebaut.

Im Jahr 2007 folgte der Umzug in die neu errichtete Deutsche Bank Hall. Gegenwärtig haben wir ca. 130.000 Bände, zählt man die elektronischen Werke dazu, kommt man sogar auf fast 150.000 Bände.


Stichwort Digitalisierung: Das ist etwas, was vor allem auch das Bibliothekswesen betrifft...

Das stimmt. Noch vor 15 Jahren ließ sich das, was wir jetzt haben, nur erahnen. Kopierstationen und Scangeräte waren noch nicht vernetzt, eine wirklich stabile WLAN-Verbindung zum Campusnetz gab es noch nicht.

Mittlerweile ist der Gebrauch digitaler Formate selbstverständlich und wird mehr und mehr von der Kundschaft verlangt. Die Zeiten, in denen die Kopierräume von morgens bis abends besetzt waren, sind längst vorbei, die Zettelwirtschaft auf den Schließfächern der Studierenden nimmt kontinuierlich ab und die Scanstationen sind aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.

Zu meinem Aufgabengebiet gehört unter anderem die digitale Transformation der Medien, vor allem die der Zeitschriftenbestände. Des Weiteren erschließe ich Datenbankinhalte, so dass sie im Bibliothekskatalog BLS-OPAC recherchierbar sind.

Alles ist miteinander verlinkt; die Suche nach der Signatur und der Gang zum Regal entfallen. Mit einem Klick direkt auf das entsprechende Werk zu gelangen, um z. B. bestimmte Kommentare aufzurufen – das gibt es so nur bei uns.

Die Digitalisierung ist nicht nur "bequem"; sondern auch sehr kosteneffizient, da man für den Erwerb digitaler Werke häufig weniger zahlt. Hier kommen öffentliche Fördergelder und Konsortialeffekte zum Tragen.

Aber so sehr wir die elektronische Bibliothek auch vorantreiben, ein Teil unseres Bestandes bleibt auf Wunsch der Professor*innenschaft in Buchform. Sie bevorzugen unter anderem das Haptische und die Zitierbarkeit gedruckter Werke.


Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit?

Das sind die schier unzählbaren Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung. Ich bin sehr viel auf Workshops und Kongressen, tausche mich dort regelmäßig mit Kolleg*innen anderer Institutionen aus und bringe so neue Ideen mit, die ich gerne umsetzen möchte.

Die Antwort darauf ist oft hic Rhodus, hic salta [„Zeige hier, beweise, was Du kannst”]. So konnte ich bereits viele Projekte erfolgreich realisieren. Das, was man macht, trägt Früchte. Das finde ich unheimlich schön. Auch das Mitspracherecht bei Prozessen und Entscheidungen halte ich für sehr wichtig, wobei ich nicht immer weiß, was wirklich „oben” ankommt.


Was ist für Sie der Bucerius Spirit?

Der Spirit steckt für mich in der gesamten Struktur der Jurist*innenausbildung, wie sie bei uns stattfindet. Es ist etwas Ideelles. Im Auswahlverfahren wird nach jungen Talenten gesucht, die ungeachtet der Finanzen Potential für den Beruf haben, denn für die Finanzierung findet die Hochschule immer eine Lösung.

Während ihres Studiums erhalten die Studierenden mit der Vermittlung von Werten die nötigen Kompetenzen fürs Berufsleben und die Garantie eines guten Beschäftigungsverhältnisses gleich dazu. Das Zusammenwirken aller Beteiligten, um diese Ziele zu erreichen und das Erreichte konsequent zu verbessern, das ist für mich der Bucerius Spirit.
 

Das Interview führte Lena Johannes.

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