Wahr oder nicht wahr? Medizinrecht an der Bucerius Law School.

Die Frage: Bietet die Bucerius Law School auch Medizinrecht an?

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Die Antwort: Ja. Und Medizinstrafrecht kann sogar als Schwerpunktbereich gewählt werden.

Lies hier ein Interview mit unseren Professoren Karsten Gaede und Jens Prütting, die das Medizinrecht an der Bucerius Law School eingeführt haben. Im Gespräch erklären die beiden Hochschullehrer, was ihr Motor ist und welche Perspektiven Medizinrecht den Studierenden bietet.

 

Interdisziplinäres Studium: Medizinrecht als Querschnittsmaterie

Mit Fragestellungen von Sterbehilfe bis Schönheits-OPs beschäftigt sich das Medizinrecht. Das spannende und vielseitige interdisziplinäre Fach ist gefragt wie nie. An der Bucerius Law School haben Professor Karsten Gaede und Professor Jens Prütting eine passende Initiative gegründet. Sie kommt gut an – bei Fachleuten und Studierenden. 

Womit beschäftigt sich das Medizinrecht?

Prof. Dr. Karsten Gaede: Das Medizinrecht ist eine besondere Querschnittsmaterie, die Öffentliches Recht, Strafrecht und Zivilrecht gleichermaßen betrifft. Sie hat ganz verschiedene Themen zu bewältigen. Das sind existenzielle, vielseitige und oft ethisch tiefgehende Fragestellungen von Sterbehilfe über Patientenrecht bis hin zu Schönheits-OPs oder der Verteilung knapper Güter wie Organe. Immer steht dabei für den Juristen im Fokus, ein Recht zu organisieren, das sowohl für die Patienten als auch für die Leistungsbringer, wie zum Beispiel Ärzte, leistungsfähig und gerecht ist.

Prof. Dr. Jens Prütting: Medizinrecht ist vielseitig und komplex. Ein Dauerbrenner sind die Kosten im Gesundheitswesen. Dies geht vielfach mit einer Diskussion um Patientensicherheit und Qualität medizinischer Leistungen einher, was in der Konsequenz allem voran den Zivilrechtler im Arzthaftungsverfahren interessiert. Die Themen des Medizinrechts sind vielgestaltig und kaum in einem Satz zu fassen. Zentral ist jedoch die Perspektive, die der betreibende Wissenschaftler oder Praktiker einnimmt. Juristen tendieren dazu, Fragen des Gesundheitswesens als rein rechtliche Problematik aufzufassen. Ein analytisch wertvoller Ansatz kann jedoch nur dann gelingen, wenn die Perspektive der Teilnehmer des Gesundheitswesens, insbesondere diejenige der Leistungserbringer einbezogen wird. Es ist unser Bestreben, interdisziplinären Austausch zu pflegen und zu vertiefen, um beispielsweise die ärztliche Sicht, die Sorgen von Patienten oder die Tätigkeit von Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen besser in Analysen und Optimierungsbemühungen einbeziehen zu können.

Karsten Gaede: Das Gesundheitswesen hat zudem eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, die sich auf das Medizinrecht überträgt. Viele wissen gar nicht, dass es das Gesundheitswesen in Deutschland den größten Wirtschaftssektor ausmacht. 328 Milliarden Euro Umsatz wurden allein im Jahr 2014 erwirtschaftet. Diese hohen, sehr umkämpften Summen stellen auch das Recht vor große Herausforderungen.


Warum wiederum ist Medizinrecht für Studierende ein interessantes Feld?

Karsten Gaede: Es gibt nicht wenige Studienanwärter, die einen medizinischen Hintergrund haben und sich daher in die Denkweise von Medizinern gut einfinden können. Sei es, weil die Eltern Ärzte sind, oder aber die Kandidaten selbst ein Medizinstudium erwogen haben, sich dann jedoch für Jura entschieden haben. Medizinrecht verbindet beides. Die Studierenden können den medizinischen Sachverhalt auf bekannte juristische Felder wie beispielsweise das Strafrecht zurückführen. Medizinrecht ist in seinen Details dennoch ein sehr spezielles Rechtsgebiet und Studienfach. Das geht so weit, dass man sich im späteren Anwaltsberuf zum Fachanwalt für Medizinrecht weiterbilden kann.

Jens Prütting: Hinzu tritt die Erwägung, dass die Thematik insbesondere mit Blick auf die Arzt-Patient-Beziehung für nahezu jeden von herausgehobener Bedeutung erscheint und existentielle Fragestellungen mit sich bringt, deren Bearbeitung und Beantwortung gerade auch im rechtlichen Bereich extrem spannend ist.


Welche beruflichen Perspektiven gibt es, wo arbeiten Medizinrechtler?

Karsten Gaede: Beispielsweise an den Landgerichten. Dort gibt es Spezialkammern für Arzthaftungssachen. Die größte Zahl an Absolventen ist aber in Kanzleien oder Rechtsabteilungen tätig. Und der Bedarf wächst immer stärker. Großkanzleien beispielsweise bauen ganze Healthcare Law-Abteilungen auf. Kleine Kanzleien wiederum spezialisieren sich gänzlich auf Medizinrecht.

Jens Prütting: Aber auch außerhalb der klassischen Berufsfelder bieten sich Chancen. Manche Absolventen gehen zu großen Versicherern in den Bereich der Schadensfälle, andere wiederum zieht es in die Risiko- oder Präventionsabteilungen von Krankenhäusern.


Sie beide lehren nicht nur, Sie forschen auch im Medizinrecht. Was passiert in diesem Bereich an der Bucerius Law School – und welche Rückwirkungen hat das auf die Lehre?

Karsten Gaede: Eine ganze Menge. Wir haben das Glück, Medizinrecht an der Hochschule von drei Säulen her zu betreiben: Jens Prütting ist Juniorprofessor für das Recht der Familienunternehmen und unser Vertreter für zivilrechtliches Medizinrecht. Dr. Anika Klafki ist Spezialistin für Öffentliches Medizinrecht, und ich komme aus dem Medizinstrafrecht. Ich habe einen Lehrstuhl inne, zu dessen Spezialgebieten das Medizin- und das Wirtschaftsstrafrecht zählen. Zudem wird an unserer Hochschule federführend die medizinstrafrechtliche Fachzeitschrift medstra erstellt. Unsere Anstrengungen bündeln wir seit Ende 2015 in einer Initiativgruppe für Medizinrecht. Die Initiative bietet die Grundlage, Mediziner und Juristen auf gut besuchten Veranstaltungen zusammenzuführen. Auf diese Weise werden zahlreiche gemeinsame Forschungsthemen vor einer eindimensionalen Betrachtung bewahrt. Im Bereich der Lehre ist uns daran gelegen, den Studierenden das Medizinrecht durch gemeinsame Veranstaltungen mit Medizinern und Medizinstudierenden zu vermitteln. Natürlich dürfen sie auch an den Vorträgen und Symposien teilnehmen. Beispielsweise führen wir Seminare durch, die unsere Jura-Studierenden mit Medizin-Studierenden der Asklepios Medical School Hamburg und der Studienstiftung des deutschen Volkes besuchen. So lernen unsere Studierenden auch früh, über rechtliche Themen mit zukünftigen Mandanten verständlich zu sprechen.


Können Sie Themenbeispiele nennen?

Karsten Gaede: Wir gehen nicht zuletzt zivil- und strafrechtlichen Fragestellungen der Patientenautonomie auf den Grund: Wie genau muss der Arzt den Patienten aufklären? Was hat es mit der Patientenverfügung am Lebensende auf sich? Die Arzthaftung spielt ebenso eine große Rolle: Was sind die rechtlichen Folgen, wenn ein Mediziner Fehler macht? Natürlich behandeln wir aber auch Fragen der Fortpflanzungsmedizin. Von der Leihmutterschaft bis hin zum so genannten Designerbaby sind hier viele aktuelle Themen zu bewältigen. Ein großes Praxisproblem, das wir natürlich aufgreifen, ist auch die Korruptionsbekämpfung. Ärzte wissen derzeit noch nicht exakt, wo die geltenden Regelungen hinführen.

Jens Prütting: Auch Ferndiagnosen sind ein wiederkehrendes Thema. Dabei geht es um die Frage, ob und inwieweit es erlaubt ist oder künftig sein sollte, dass Ärzte ausschließlich durch die Nutzung von Fernkommunikationsmitteln wie Telefon, Videochat und Ähnlichem Diagnosen stellen und therapeutische Ratschläge erteilen. Während sich ein solches Vorgehen in der zunehmend digitalisierten Welt geradezu anzubieten scheint, ist es gleichwohl aus verschiedenen Gründen als sehr problematisch eingestuft und nur zurückhaltend zugelassen, etwa bei konsiliarischer Hinzuziehung durch einen vor Ort tätige/n Kollegen/in.


Wie werden die Themen angenommen?

Jens Prütting: Sehr gut. In den Seminaren haben wir einen starken, manchmal überwältigenden Zulauf der Studierenden. Wir führen in der Forschung jährlich mindestens drei Großveranstaltungen durch. Sie erreichen mittlerweile bereits bis zu 200 Teilnehmer. Darunter sind Juristen, Studierende, Mediziner, Geschäftsführer medizinischer Einrichtungen, kaufmännisches Personal von Krankenkassen und Verbänden oder Pharmahersteller. Unsere Initiative hat sich so gut entwickelt, dass wir für den kommenden Herbst die Gründung eines Instituts für Medizinrecht planen. Wir arbeiten dafür mit vielen Unterstützern zusammen, die sowohl aus der Medizinwissenschaft als auch aus der Kanzleipraxis kommen.


Woran liegt die große Resonanz?

Jens Prütting: Wir arbeiten mit starken Partnern wie der Asklepios Medical School Hamburg zusammen und laden ausgewiesene Experten zu Veranstaltungen ein. Viele externe Teilnehmer wie Ärzte sagen uns danach, dass es wirklich Sinn gemacht hat, herzukommen. Auch bei den Studierenden ist das Interesse groß, was nicht zuletzt an den Themen und den Rednern liegen dürfte. So hat der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, bei uns über die Eindämmung der Sterbehilfeorganisation gesprochen. Die Studierenden konnten ihn befragen, ob der Bundestag die richtige Lösung dafür erlassen hat. Mit dem führenden Experten für schädliche Wirkung von Cannabis, Prof. Dr. med. Rainer Thomasius von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, haben wir wiederum die rechtliche Behandlung des Rauschmittels durchgenommen. Auch meine Schwerpunkt-Veranstaltung „Privates Arztrecht“ war sehr gut besucht. Alle haben bis zum letzten Tag angeregt diskutiert und mitgemacht. Das war großartig.


Warum sollte man das Medizinrecht gerade an der Law School erlernen?

Karsten Gaede: Weil wir bei der Lehre immer den Kontakt von Medizinern und Juristen herstellen. Die Studierenden lernen früh, wie man sich auf die späteren Mandanten einlassen sollte. Geplant ist auch ein spezielles studienbegleitendes medizinrechtliches Zertifikat der Bucerius Law School, das so an keiner anderen Hochschule existiert. Es drückt die Expertise des jeweiligen Absolventen im Medizinrecht aus. Wir fördern zudem eine Promotion im Medizinrecht. Dafür schaffen wir in dem neuen Institut zusätzliche Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, mit deren Hilfe die Promotion finanziert werden kann. Wir konnten nun auch eine erste zusätzliche Stelle schaffen, die unsere Institutspartner finanzieren. Bereits jetzt laufen eine ganze Reihe an Promotionen.


Sitzen Sie beide an gemeinsamen Forschungsprojekten?

Karsten Gaede: Ja, zum Beispiel untersuchen wir, wie man das Gesundheitswesen vor Korruption schützen kann. Auch zum Thema Autonomie am Lebensende forschen wir.

Jens Prütting: Außerdem ist die Haftungsprävention in der Geburtshilfe ein Thema. Wie könnten die umsetzbaren Möglichkeiten aussehen? Wie sagt das Hebammengesetz hierzu? Die Prämien für die Berufshaftplichtversicherung von Hebammen und ärztlichen Geburtshelfern sind sehr stark angestiegen, da sowohl die Schmerzensgelder als auch materielle Schäden wie Zahlung des lebenslangen Mehrbedarfs, Krankenkostenaufwand und vieles mehr deutlich angestiegen sind. Hier soll entgegengewirkt werden.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Karsten Gaede: Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft mit neugierigen, talentierten Studierenden spannenden, medizinisch-juristischen Fragen auf den Grund gehen können. Es wäre wunderbar, wenn der große Zulauf begeisterter Studierender, die unser interdisziplinäres Angebot nutzen wollen, weiter anhält. Interessierte Studierende sind unser Motor.

Jens Prütting: Mein Zukunftswunsch ist die Folgerung aus Karsten Gaedes letztem Satz: Dass wir es schaffen, eine echte Generation von Medizinrechtlern zu entwickeln, die mit unserer Forschung und Lehre aufwächst und die verantwortungsvoll mit ihrem Wissen umgeht. Hierdurch hätten wir von Seite der Wissenschaft wirklich viel bewirkt.


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