Was ist ein Legal Hackathon eigentlich?
Tim:
Im Grundsatz kommt der Hackathon aus der Tech Welt. Hier soll in kürzester Zeit eine kreative Softwarelösung für ein spannendes Problem gefunden werden.
Bei einem Legal Hackathon liegt der Fokus weniger auf dem „Hack“ und mehr auf dem „Legal“. Es sollen Lösungen entwickelt werden, um die Rechtsbranche moderner zu gestalten. Die Teams setzen sich aus einer Kombination von Juristen und Informatikern zusammen. Innerhalb von 72 Stunden wird eine Lösung entwickelt, die im Idealfall auch schon durch einen Prototyp verbildlicht werden kann.
Als fertiges Produkt sollten dann die Ergebnisse in vier Minuten an eine Jury gepitcht werden.
Wie seid ihr darauf gekommen, am Legal Hackathon teilzunehmen?
Noreen:
Vor unserer Teilnahme hatten wir selbst noch nie von einem Legal Hackathon gehört. Über einen Workshop zu ChatGPT im Anwaltsberuf hat Dr. Florian Skupin, der Leiter des Center for Legal Technology and Data Science, uns von einer möglichen Teilnahme überzeugt. Das Format klang spannend, doch die Vorstellung ohne IT-Kenntnisse und mit den Inhalten aus dem ersten Studienjahr dort teilzunehmen, war einschüchternd. Diese Ängste konnte Florian Skupin uns dann doch letztendlich nehmen.
Was war die konkrete Aufgabenstellung beim Legal Hackathon?
Noreen:
Das Tolle an dem Legal Hackathon war die Freiheit bei der Ausarbeitung der Ideen. Welchem Problem der Rechtsbranche man sich widmen will und wie man dieses Problem lösen will bzw. das Produkt gestalten will, wurde offengelassen. Zu Beginn des Hackathons haben die Teilnehmenden die Möglichkeit innerhalb von 60 Sekunden eine Idee vorzustellen. Im Anschluss daran kann man sich entscheiden, welcher Pitch einen am meisten überzeugt hat, und bildet so die Teams. Am Ende der 72 Stunden entstehen von Team zu Team unterschiedliche Lösungen, die dann anhand von vier Kriterien bewertet werden. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung einer technischen Lösung – vielmehr müssen die Teams auch durch die Kriterien Design, Geschäftsmodell und Vermarktung punkten können. Mit Ablauf der Zeit soll ein vierminütiger Pitch stehen, der vor der Jury und den anderen Teilnehmenden vorgetragen wird. Aber keine Sorge: Es wird kein vollkommen fertiges Produkt erwartet, das bereits alle Anforderungen vollumfänglich erfüllen kann. Allein das Entwickeln einer Idee zu einem Prototyp und der Aufbau eines Geschäftsmodells sind eine erstaunliche Leistung für den kurzen, aber intensiven Zeitrahmen.
Welche Idee für ein Rechtsprodukt habt ihr konkret entwickelt?
Noreen:
Unsere Idee war, dass Anwälten ein Tool bereitgestellt wird, das ihnen die Mandatsbearbeitung durch eine übersichtliche Darstellung erleichtert. Gerichtsprozesse, die über einen langen Zeitraum mit noch längeren Schriftsätzen einhergehen, sind oft schwierig zu überblicken. Hier die Übersicht zu behalten, wird oft den Praktikanten, WissMits oder ReFas zugewiesen, die einen Zeitstrahl erstellen oder die wichtigsten Informationen zusammenfassen sollen. Das muss doch einfacher gehen, haben wir uns gedacht! Um diese zeitaufwändige Aufgabe zu vereinfachen, haben wir ein Tool entwickelt, das unsortierte Dokumente eines Falls übersichtlich aufarbeitet und sogar die relevanten Informationen herausfiltern kann. So können mehrere Stunden aufwändiges Durchwühlen von E-Akten durch einen Mausklick ersetzt werden.
Was habt ihr während des Legal Hackathons gelernt?
Tim:
Nur Mut! Jeder wird gebraucht, egal aus welchem Background oder mit wieviel Erfahrung man kommt. Niemals hätten wir gedacht, dass wir es schaffen, ein Team von sechs Teilnehmern mit einer spontanen Idee zu begeistern und diese dann auch nach 72 Stunden einer fachlich sehr gut qualifizierten Jury zu pitchen. Auch als noch unerfahrene Studierende konnten wir zusammen mit einem Team von anderen „Hackern” ein stolzes Produkt pitchen.
Von „Softwarelösung“, zu „Business Modell“ bis hin zum „perfekten Pitch“ gab es für uns Teilnehmer Insights zu jedem Thema, mit dem wir Berührungspunkte hatten. Dabei waren auch Profis von den Veranstaltern RSM Ebner Stolz, Wolters Kluwer und dem Legal Tech Lab Cologne offen für all unsere Fragen.
Denn was wir auch lernen mussten, man wird immer mit neuen Problemen konfrontiert, die vielleicht auf den ersten Blick die Umsetzung der Idee schwer gestalten können. Beim Pitch hat man vielleicht ein Produkt, welches nur noch grob der ursprünglichen Idee ähnelt. Aber umso besser ist der Input eines agilen und kreativen Teams.
Was bleibt euch vom Legal Hackathon in Erinnerung?
Tim:
In Erinnerung bleiben uns das großartige Team, in welchem wir uns schnell zusammenfinden konnten. Wir konnten mit einer guten Mischung aus Studenten und Praktikern gemeinsam schnell eine Vision von Produkt und Team erschaffen. Hierdurch konnten wir die langen Tage von zielführenden Diskussionen gemeinsam sehr spaßig gestalten.
Außerdem wurden wir bei unserer doch sehr ambitionierten Aufgabe nicht allein gelassen. Die Anregungen durch Vorträge und Coachings haben uns sehr viele lehrreiche Take-Aways ermöglicht. Zudem konnten wir immer wieder im Rahmen von Massagen, Yoga und Networking-Events einen guten Ausgleich zum Hacking finden.
Veranstaltungen leben ja auch immer von konstruktivem Feedback. Was würdet ihr euch für einen nächsten Hackathon wünschen?
Noreen:
Das Tolle an Legal Hackathons ist, dass sie für alle Interessierten offen sind. Jeder kann sich einfach und kostenlos anmelden. Dadurch bilden sich Teams, in denen man durch die Erfahrung von studierten Juristen, Entwickler oder auch anderen mit Erfahrung im Legal Tech-Bereich profitiert. Der Austausch zwischen Anfängern und Experten auf ihren Gebieten war förderlich, um gemeinsam ein derartiges Ergebnis überhaupt auf die Beine stellen zu können. Wir würden uns aber dennoch wünschen, dass in Zukunft mehr Studierende die Möglichkeit haben, sich in derartigen Wettbewerben auszuprobieren. Denn auch wenn Berufserfahrene diesen Wettbewerb mitgetragen haben, ist es für Studierende schwierig sich den Raum zu nehmen, den sie brauchen, um lernen und eigene Ideen einbringen zu können. Wir würden uns daher wünschen, dass derartige Veranstaltungen mehr an die Studierenden herangetragen werden – vielleicht sogar im Rahmen eines eigenen Legal Hackathons für Studierende mit 1–2 Experten pro Team.
Zum Abschluss: Würdet ihr euren Kommilitonen eine Teilnahme empfehlen?
Tim:
Wir beide sind in das Wochenende mit fast keinen Insights zum Thema Legal Tech gestartet. Das hat uns nicht geschadet. Die anderen Hackathon Teilnehmer konnten uns schnell vieles „on the Job“ beibringen. Von niemanden wird erwartet, dass man der nächste Mark Zuckerberg ist. Man sollte offen für ein Thema sein, welches während der juristischen Ausbildung eher wenig Platz einnimmt. Das ist das Spannende hieran. Nach einem Wochenende haben wir viel über den Bereich Legal Tech und seinen Einfluss auf die Rechtsbranche gelernt.
Es lohnt sich, einen Hackathon einfach einmal auszuprobieren; denn auch als kompletter „Hacking-Noob“ kann aus einer kleinen Vision innerhalb von 72 Stunden ein spannendes und innovatives Produkt werden.
Wer nicht von dem Stress der Hausarbeit abgeschreckt ist, sollte den nächsten Hackathon also auf keinen Fall verpassen!
Schlussendlich kann man sagen: Wir kommen zwar schlaflos, dafür aber unglaublich zufrieden zurück nach Hamburg, wo die Hausarbeit nun auf uns wartet.