Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2020 den umstrittenen § 217 StGB für verfassungswidrig erklärte, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verbot, berät der Bundestag derzeit über drei Gesetzentwürfe zum Thema Sterbehilfe. Die Entwürfe sehen unterschiedliche Verfahren vor, um den assistierten Suizid in gewissen Grenzen zulässig auszugestalten. Dabei stellen sie in unterschiedlichem Ausmaß auf das Strafrecht ab.
Die Gesetzentwürfe sind vom Bundestag bereits in erster Lesung diskutiert worden. Am 28. November 2022 befasste sich der Rechtsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung mit den Vorschlägen. Die elf geladenen Sachverständigen kamen aus der Rechtswissenschaft und -Praxis, der (Palliativ)Medizin, der Suizidforschung und Ethik.
Gaede warnt vor übermäßigem Einsatz des Strafrechts
Auch Professor Dr. Karsten Gaede, Direktor des Instituts für Medizinrecht an der Bucerius Law School, war als Sachverständiger geladen. In der Anhörung betonte Gaede, dass sich der Gesetzgeber nach dem Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts um eine strikt verhältnismäßige Regelung der komplexen Materie bemühen müsse. Er kritisierte insbesondere den Entwurf, der federführend von den Abgeordneten Castellucci/Heveling erarbeitet wurde. Eine umfassende Strafnorm sei nicht das, was das Grundgesetz fordere. Der Entwurf überfordere zudem mit seinem komplizierten Verfahren absehbar diejenigen, die zur Suizidassistenz bereit wären.
Vor allem hob Gaede hervor, dass der auf Repression bedachte Entwurf tatsächlich nicht der Enttabuisierung und Entstigmatisierung von Suizidgedanken diene, wie es der parallele Antrag der Abgeordneten zugunsten einer ausgebauten Suizidprävention zu Recht verlange. Vielmehr erweise er diesem Anliegen einen „Bärendienst“, indem er diejenigen weitgehend kriminalisiere, die zu Untersuchungen und lebensbejahenden Beratungen bei einem geäußerten Suizidwunsch bereit seien.
Ein strafbewehrtes Verbot grob anstößiger Werbung für Angebote der Suizidassistenz hielt Gaede hingegen für verfassungsrechtlich zulässig. Er warnte aber auch insoweit davor, vor allem auf das Strafrecht zu setzen, das von den eigentlichen Präventionsaufgaben eher ablenken könne:
„Strafrecht ist immer billig, ein kontinuierliches und konkretes Präventionskonzept ist dagegen teuer“.