Am 19. Oktober fand der dritte Teil der Veranstaltungsreihe zum Sexualstrafrecht statt. Thema der Veranstaltung war der internationale Ausblick auf das Sexualstrafrecht. Das umfassendste internationale Instrument in diesem Bereich ist die Istanbul-Konvention (IK), ein völkerrechtlicher Vertrag des Europarats.
Veranstaltungsreihe zum Sexualstrafrecht
Für die Veranstaltungsreihe zum Thema Sexualstrafrecht haben sich die Hochschulgruppen „Amnesty International“ und „WoMen* in Law“ mit dem Deutschen Juristinnenbund (DJB) zusammengeschlossen, um Wissen über ein Thema zu vermitteln, das im rechtswissenschaftlichen Curriculum regelmäßig keinen Platz findet: das Sexualstrafrecht. Die mangelnde Bedeutung dieser Materie im Studium steht im Widerspruch zur großen praktischen Relevanz der Thematik. Auch habe das Sexualstrafrecht einen besonderen Stellenwert, da es sich mit Situationen auseinandersetze, in denen gesellschaftliche oder geschlechtsspezifische Machtstrukturen wirken, erläutern die Mit-Organisatorinnen Parissa Rahimian und Kim Ducho, Studierende an der Bucerius Law School.
Vorher haben bereits zwei Veranstaltungen im Rahmen der Reihe stattgefunden: Die erste setzte sich mit der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Sexualstrafrechts auseinander und zeichnete nach, wie sich die wandelnden Moralvorstellungen der Gesellschaft im Recht niederschlagen. Die zweite beschäftigte sich mit rechtlichen und gesellschaftlichen Hürden bei der effektiven Verfolgung von Sexualdelikten.
Fachkundige Panelistinnen
Für die Veranstaltung zur Istanbul-Konvention konnte erneut ein Podium von fachkundigen Juristinnen gewonnen werden. Es referierten:
- Dr. Tanja Altunjan, Referendarin am Kammergericht Berlin sowie am Bundesverfassungsgericht,
- Anne Pertsch, Anwältin bei der NGO „Equal Rights Beyond Borders“,
- Rechtsanwältin Dr. Anne-Kathrin Wolf, Anwältin im Strafrecht bei der Kanzlei „H2W Strafrecht“ in Berlin.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Dana-Sophia Valentiner, Vorsitzender des Landesverbands Hamburg beim DJB.
Rechtliche Gehalte der IK
Zunächst referierte Anne Pertsch zum rechtlichen Gehalt der Istanbul-Konvention. Der Vertrag enthalte eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen. Geschlechtsspezifische Gewalt nach der IK sei Gewalt gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts oder Gewalt, die Frauen unverhältnismäßig betreffe. Positiv seien weiterhin, dass der Begriff der „Gewalt“ auch die ökonomische Dimension umfasse.
Auswirkungen der IK für konkrete Strafverfahren
Dr. Wolf konnte den teilnehmenden Studierenden im Anschluss erläutern, welche Implikationen die IK für konkrete Strafverfahren in Deutschland hat. Zum einen sei zu nennen, dass einfache Körperverletzungsdelikte nach § 223 StGB grundsätzlich nur dann verfolgt werden, wenn ein Strafantrag gestellt wird oder die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung als im öffentlichen Interesse geboten ansieht. Unter der IK soll im Falle häuslicher Gewalt dagegen stets ein öffentliches Interesse an der Verfolgung vorliegen.
Weiterhin stelle die IK Anforderungen an das Strafverfahren, das für die Opfer häuslicher Gewalt sensibel und nicht retraumatisierend ausgestaltet sein muss.
Reproduktive Gewalt und Umsetzungsdefizite
Im Anschluss erklärte Dr. Altunjan die Regelungsgehalte der IK im Bereich „reproduktive Gewalt“, also Zwangsabtreibungen und -sterilisierungen. Altunjan, die sich bereits in ihrer Dissertation mit reproduktiver Gewalt auseinandersetzte, erläuterte den Unterschied zwischen solcher Gewalt und Straftaten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten.
Die Panelistinnen erläuterten danach, welche Defizite sie weiterhin bei der Umsetzung der Anforderungen der IK in das deutsche Recht sehen. Kritisiert wurde hier insbesondere der § 1905 BGB, der die Sterilisierung von Frauen erlaubt, die nicht selbst einwilligen können.
Die Veranstaltung, welche aufgrund der immer noch andauernden Coronavirus-Pandemie über Zoom stattfand, schloss mit Fragen der Studierenden.